© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/05 16. Dezember 2005

"Hipper und cooler"
"Kampf gegen Rechts": Sozialdemokraten diskutieren über praktische Erfahrungen / Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung
Ekkehard Schultz

Die aktive "Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus" ist für die SPD mit dem Ende der rot-grünen Bundesregierung nicht beendet. Nicht nur die im Jahr 2000 installierten Programme wie Xenos, Civitas und Entimon (JF 34/05) sollen nach dem Willen der Sozialdemokraten im kommenden Haushalt fortgeschrieben werden, auch die intellektuelle Auseinandersetzung mit diesem Thema innerhalb der eignen Partei soll vorangebracht werden.

Einen Baustein auf diesem Weg stellte die Tagung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung am vergangenen Freitag in Berlin dar. Rund 150 Teilnehmer diskutierten über "Neue Entwicklungen des Rechtsextremismus - Internationalisierung und Entdeckung der sozialen Frage". Dabei widmete man sich unter der Führung des Bundestagsabgeordneten Niels Annen, der die SPD-Arbeitsgruppe Rechtsextremismus leitet, auch den Erfahrungen aus der Praxis. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Norbert Bischoff, berichtete vom Umgang mit der DVU, die 1998 den Einzug in den Landtag geschafft hatte. Dieser sei für ihn und seine Parteikollegen "völlig überraschend" gekommen. Die Jahre danach seien eine "echte Qual" gewesen. Der SPD-Politiker beklagte, daß die Partei eine große Zahl von sozialen Anträgen, gekoppelt mit "nationalen und fremdenfeindlichen Ansätzen" in den Landtag eingebracht habe. Damals hätten die anderen Parteien - unter Einschluß der PDS - gemeinsam die "Spielweise" entwickelt, daß immer nur ein Abgeordneter einer Fraktion auf einen solchen Antrag reagiere. Den damaligen DVU-Abgeordneten habe es an Intellekt gefehlt und sie seien daher mit den NPD-Abgeordneten im sächsischen Landtag nicht zu vergleichen, die sich auf ihre parlamentarischen Auftritte viel intensiver vorbereiteten.

Kritik an begrenztem Interesse der CDU

Doch egal, ob DVU oder NPD, eine wesentliche Aufgabe aller "demokratischen Kräfte" müsse darin bestehen, so Bischoff, immer rechtzeitig auf geplante Kandidaturen von rechtsextremen Parteien aufmerksam zu machen.

In der damaligen Periode des Landtags hätten die Regierungsparteien in Sachsen-Anhalt erfolgreich ein Netzwerk gegen Rechtsextremismus geschaffen und die Sozialarbeit an Schulen gefördert. Inzwischen würden diese Maßnahmen jedoch durch die CDU-FDP-Regierung finanziell stark beschnitten, klagte Bischoff. Generell sei die CDU in Sachsen-Anhalt - im Gegensatz zu Sachsen oder Brandenburg - bislang an Bündnissen gegen Rechtsextremismus nur "in stark begrenztem Maße" interessiert. Statt dessen forderten die Christdemokraten auch eine Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus. Dabei seien doch, so Bischoff, linke Gewalttaten "meist nur eine Antwort auf Rechts". Wichtig sei es, daß im Kampf gegen Rechtsextremismus stets auf die Notwendigkeit der heutigen international geprägten Ordnung der Welt hingewiesen werde, die sich beispielsweise in Wirtschaft und Sport am besten widerspiegele.

Dagegen sah die Leiterin des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen, Anne Broden, das größte Problem bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in den heutigen Programmen der Bundesregierung wie Xenos, Civitas und Entimon. Diese könnten zwar den "zivilgesellschaftlichen Sektor" stärken. Jugendliche, die bereits "rechtsorientiert" seien, könnten damit jedoch praktisch nicht erreicht werden. Dabei sei es wichtig, gerade mit solchen Jugendlichen intensiv zu arbeiten. Aktuelle Gefahren sah Broden darin, daß sich rechtes und rechtsextremes Gedankengut als "anschlußfähig an die Mitte der Gesellschaft" erwiesen habe und so "schwer zu bearbeiten" sei.

Warnung vor einer neuen Leitkultur-Debatte

Sie warnte vor einer Diskussion über eine deutsche Leitkultur, da diese die Gesellschaft aufspalte und Ausländergruppen je nach Anpassungsgrad kategorisiere. Ferner rief Broden dazu auf, Medienvertreter besser zu schulen, um eine höhere Sensibilität dafür zu erreichen, daß etwa bei Berichten über erfaßte oder verurteilte Straftäter die Nennung der Nationalität "unnötig" sei.

Henning Hohmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der SPD im sächsischen Landtag, nannte als wichtigstes Ziel der praktischen Jugendarbeit, dieser Klientel zu demonstrieren, daß "Linke" viel "hipper" und "cooler" seien. Lorenz Korgel, Koordinator der mobilen Beratungsteams des Civitas-Programmes, wertete die Partei- und Strukturenbildung von Rechtsextremisten als "lokale Gefährdung". Grundsätzlich sei in naher Zukunft die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß es auch bald einen ersten NPD-Bürgermeister geben könnte. Hier müßten schon jetzt dringend Konzepte in der Lokalpolitik entwickelt werden, wie man mit solchen Herausforderungen umginge.

Momentan sei das Personal in den Kommunen, aber auch in den östlichen Landesparlamenten - im Gegensatz zu den Abgeordneten des Bundestages - auf diese Aufgabe zu wenig vorbereitet und oft auch immer noch "zu naiv". Die Nachfrage, ob nicht gerade die Tabuisierung von Themen wie Ausländerkriminalität und Leitkultur dazu führen könnte, daß solche Themen dann nahezu allein Rechtsextremisten überlassen würden, beantworteten die Teilnehmer unterschiedlich: Broden korrigierte ihre harte Kritik am "Leitkultur"-Begriff wieder etwas, indem sie vorschlug, eine solche Debatte dürfe nicht abgeblockt werden. Allerdings müßten der Begriff Leitkultur und die Intentionen der CDU-Kampagne genauer hinterfragt und möglicherweise mit einer "besseren Alternative" gearbeitet werden. Dagegen bezeichnete Bischoff eine Diskussion über Leitkultur generell als "schlichtweg unsinnig".


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