© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/05 16. Dezember 2005

Klatsch und Tratsch
Kino: "Ein Sommer in Amalfi" von Mike Barker
Ellen Kositza

Das sind so ewige Fragen: Was sucht der Mann bei einer Frau? Was, umgekehrt, macht einen Mann attraktiv? Wo endet Vertrauen, wo grenzt es an Naivität, gerade in Liebesangelegenheiten? Ob es reine Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann? Regisseur Mike Barker ("Best Laid Plans") hat um solch private Geschlechterpolitik einen eleganten moralischen Film gedreht.

Robert und Meg Windermere (Scarlett Johansson) stellen ein frisch verheiratetes Pärchen der New Yorker High-Society dar, er: ein aufstrebender, bereits erfolgreicher Makler, sie: eine bezaubernd schöne und -im guten Sinne - einfältige Vollwaise. Den Sommer verbringt das verliebte Paar in einer Villa an der italienischen Riviera. So gehört es sich -hier, wir schreiben die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, urlauben die Schönen und Reichen ihrer Zeit. Es ist eine Gesellschaft, die auf Zerstreuung aus ist, auf bunte Märkte, erlesene Ladengeschäfte, Bootsparties, Klatsch und Tratsch.

Eine nicht eben standesgemäße Dame kommt all dem sehr gelegen. Miss Erlynne (Helen Hunt), eine bereits reifere Mätresse, sah sich aufgrund einer Verschwörung betrogener New Yorker Ehefrauen gegen sie gezwungen, ihren Aufenthaltsort zu wechseln - sie verlegt ihr Treiben nach Amalfi. Ihr laszives Auftreten, ihr gewagter Kleidungsstil (der nach heutigen Maßstäben unter "verführerische Eleganz" subsumiert würde, seinerzeit aber, zumal den Geschlechtsgenossinnen, als ordinär galt) machen sie bald für die Sommerfrischler zum Gesprächsthema Nummer eins.

Ausgerechnet auf Robert, diesen makellosen Part einer anscheinend so vorbildlichen Ehe hat sie es abgesehen - bald pfeifen die Spatzen von den Dächern, daß der Jungverheiratete regelmäßiger Gast in Miss Erlynnes Residenz ist.

Meg, gutgläubig genug, verschließt Augen und Ohren vor Gerüchten und Offensichtlichkeiten. Sie ist vor allem damit beschäftigt, artig und aus treuer Überzeugung die Avancen des smarten Junggesellen Lord Darlington abzuwehren und sich gleichzeitig dessen unterhaltsame Freundschaft zu erhalten.

Nach der Zuneigung der so verrufenen wie klugen Kokotte, ja gar nach einer Ehe mit ihr, trachtet wiederum der lebenserfahrene Millionär Lord Augustus (Tom Wilkinson). Den Spott der ihn allabendlich umgebenden Herrenrunde weiß er altersweise abzuwehren. Schließlich eskalieren die Skandalferien zwischen Sex und Sensationen ...

"Ein Sommer in Amalfi" erweist sich dabei, anders als der grobumrissene Inhalt nahelegen könnte, nicht etwa als ein nostalgisches Dallas fürs Kino des 21. Jahrhundert, sondern als überaus gelungen leichtes wie auch hintergründiges Gesellschaftsstück. Einmal mehr wird hiermit eine Oscar-Wilde-Adaption auf die Leinwand gebracht, die sich sehen lassen kann.

Wilde hat "Lady Windermeres Fächer. Die Geschichte einer anständigen Frau" 1892 als Ensemblestück geschrieben, für den nur geringfügig von seiner Vorlage abweichenden Film griff man hier zudem sehr trefflich in den reichen Aphorismen-Fundus des irischen Dichters: Im Film gibt der gemütliche Lord Augustus den vorzüglichen Meister des philosophischen Gedankensplitters. Ob er denn sicher sei, daß die Angebetete ihn auch nur ansehen würde, wenn er nicht steinreich sei? Rhetorische Gegenfrage von Augustus: "Würde ich sie ansehen, wenn sie nicht schön wäre?"

Foto: Meg Windermere (S. Johansson): Unschuld aus der Stadt


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