© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/05 16. Dezember 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Abhärtung
Karl Heinzen

Die Gesellschaft hat ein Klima geschaffen, in dem sich junge Menschen nicht mehr privilegiert fühlen müssen. Auch in Kindergärten, Schulen und Universitäten werden die Heranwachsenden zunehmend wieder gefordert und nicht länger verwöhnt.

Dies beginnt bereits bei den Rahmenbedingungen: Im Berliner Bezirk Mitte etwa wird jetzt Schluß gemacht mit der Energieverschwendung an Schulen. In Fluren und Foyers, die wegen Raummangel für Sprachförderkurse und Gruppenarbeit genutzt werden, sind Temperaturen von 16 Grad und damit Lernen im Anorak ein neuer Standard. Dies härtet ab und liegt daher nicht zuletzt im Interesse sozial schwacher Familien, die gezwungen sind, Abstriche am Luxus beheizter Wohnungen vorzunehmen.

Vor allem aber wächst der Mut, mit innovativen Ansätzen im Erziehungsstil und der Unterrichtsgestaltung zu experimentieren. So sah eine Lehrerin in Fürth nicht länger ein, die Kinder ihrer Grundschule künstlich von der Leistungsgesellschaft abzuschirmen, in die sie schließlich hineinwachsen sollen. Wer falsche Antworten gab oder unsinnige Fragen stellte, wurde mit einem "Blödheitspokal" ausgezeichnet. Versager in Klassenarbeiten erhielten als Quittung einen Tritt ins Gesäß. Ordnung im Unterrichtsalltag bleibt aber unvollständig, wenn sie nicht auch auf den Schulwegen durchgesetzt wird. Da in jedem Jugendlichen ein Straftäter stecken könnte, fahren im bayerischen Eichstätt derzeit auf Problemstrecken uniformierte Einsatzkräfte im Schulbus mit. Sie verhindern Mobbing, schreiten bislang aber noch nicht ein, wenn Hausaufgaben abgeschrieben werden.

Die Notwendigkeit einer nachdrücklichen Disziplinierung der jungen Generation wird, dies zeigen die Beispiele, von sehr vielen erkannt. In der Tat gibt es dazu auch keine Alternative. Die Zahl der Kinder in Deutschland geht rasant zurück. Zugleich wachsen die Aufgaben, die sie dereinst als Erwachsene zur Versorgung der älteren Mitbürger zu schultern haben werden. Ihnen stehen eine längere Lebensarbeitszeit mit vorgezogenem Eintritt ins Erwerbsleben und späterem Ausscheiden aus demselben bei stagnierenden oder gar zurückgehenden Nettoeinkommen und höheren Abgaben für die gesetzliche sowie die freiwillige Alters- und Gesundheitsvorsorge bevor. Da unter diesen Rahmenbedingungen auch Leistungswilligen nicht länger Wohlstand und Lebensgenuß versprochen werden können, wäre es unverantwortlich, ihnen im Jugendalter eine nicht mehr zeitgemäße Anspruchshaltung zu konzedieren.


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