© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Vorweihnachtlicher Trubel ums Kreuz
Gedenkpolitik: In der sächsischen Kleinstadt Borna sorgt eine geplantes Gedenkstätte für Kriegsopfer für Aufregung
Ekkehard Schultz

Für vorweihnachtliche Aufregung gänzlich ungewollter Art sorgt die Diskussion um die Antragsgenehmigung für ein zwölf Meter hohes Gedenkkreuz in der westsächsischen Kleinstadt Borna. Oberbürgermeister, Mitglieder der Stadtverwaltung und des städtischen Bauausschusses der rund 23.000 Einwohner zählenden Kleinstadt - gut 20 Kilometer südöstlich von Leipzig gelegen - sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, mit dieser Genehmigung dafür gesorgt zu haben, daß Borna künftig zum "Wallfahrsort von Neonazis" werden könnte.

Im Januar 2005 ersteigerte der Düsseldorfer Architekt Ludwig Limmer ein Grundstück zum Preis von 99.000 Euro, das sich zuvor im Besitz des Bundes befand.

Am 11. Oktober stellte Limmer auf der Sitzung des Bauausschusses von Borna sein Projekt vor, dort eine Erinnerungsstätte mit einem 12 Meter hohen Kreuz zu errichten, welche den Opfer des Zweiten Weltkrieges gewidmet sein solle. Das Kreuz stehe dabei als ein "Sinnbild für Trauer und Mahnung an die Menschen, Frieden zu bewahren". Zudem solle dieser Ort als Begegnungszentrum für Rußlanddeutsche dienen. Die Kosten für die Errichtung der Erinnerungsstätte würden von Heimatvertriebenen getragen, gab Limmer an.

Die Ausschußmitglieder hatten keine Einwände gegen diesen Plan und stimmten dem Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zu. Die Metallbaufirma der Frau von Oberbürgermeister Bernd Schröter erhielt den Auftrag, das Gedenkkreuz herzustellen.

Doch Mitte November erhielt das Landratsamt eine E-Post vom Verfassungsschutz, in dem die Behörde auf das "Umfeld" der Familie Limmer hinwies. Limmer sei seit 2004 Mitglied des Vereins "Gedächtnisstätte". Gegründet wurde dieser Verein bereits im Jahr 1992 von Ursula Haverbeck-Wetzel. Haverbeck-Wetzel wurde wegen Volksverhetzung verurteilt, weil sie zusammen mit dem Anwalt Horst Mahler einen "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" geleitet hatte und in diesem Zusammenhang auch durch eigene antisemitische Äußerungen aufgefallen war.

Heute ist Haverbeck-Wetzel zwar offiziell nicht mehr Mitglied von "Gedächtnisstätte", dafür aber Vorsitzende des vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachteten "Collegium Humanum" in Vlotho. Da auf einigen Flugblättern und Schriften des "Collegium Humanum" und des Vereins "Gedächtnisstätte" die gleiche Kontaktadresse angegeben sei, legt dies nach Auffassung der Verfassungsschutzbehörden einen Zusammenhang zwischen diesen Personen und den Verdacht auf einen rechtextremen Hintergrund nahe.

Der Oberbürgermeister gibt dem Bund die Schuld

Borna drohe ein "Wallfahrtsort für Rechtsextreme" zu werden, lautete eine Schlagzeile der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Dadurch gerieten sowohl die Mitglieder des Bauausschusses, die die Aufstellung eines Gedenkkreuzes genehmigt hatten, als auch der Oberbürgermeister selbst unter Druck. Unter diesen Verhältnissen nahm Schröter am 13. Dezember seine Zustimmung zu dem Projekt zurück, soweit sich der Verdacht als begründet erweise. Gleichzeitig wies er in der LVZ Bundes- und Landesbehörden die Schuld an der entstandenen Situation zu. Diese hätten das Grundstück anstandslos an die Familie Limmer veräußert. Er habe nicht damit gerechnet, "daß die Bundesrepublik jemandem etwas verkauft, der in der rechten Szene bekannt ist", sagte Schröter. Er verwahrt sich zudem gegen den Vorwurf, von der Herstellung des Kreuzes selbst profitiert und deshalb die vermeintlichen Hintergründe nicht genügend geprüft zu haben.

Die Kosten des Kreuzes hätten unter 5.000 Euro gelegen, "eine Bereicherung" sei da wohl "nicht möglich". Schröter tat zudem seinen Entschluß kund, von der Familie Limmer zu erfragen, was sie nun konkret mit der Aufstellung des Kreuzes "wirklich bezweckt". "Das Kreuz wird erst ausgeliefert, wenn die Sachlage geklärt ist."

Sollte sich der Verdacht des Verfassungsschutzes im geringsten erhärten, werde er "sofort alles tun", "um Rechtsextreme aus der Stadt rauszuhalten". Dann würden sich die "fortschrittlichen Kräfte unserer Stadt ... formieren". "Was wir als Einwohner von Borna tun können, um zu verhindern, daß sich Rechtsextreme und Neonazis in Borna breit machen, das machen wir", sagte Schröter.


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