© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

CD: Rock
Wandlung
Holger Stürenburg

Bryan Adams, seit nunmehr 25 Jahren im Geschäft, gilt als einer der erfolgreichsten und zugleich unspektakulärsten Musiker der internationalen Rockszene. 1959 in Kingston/Ontario geboren, legt der scheinbar immerjunge Gitarrist und Sänger nach unzähligen Hits in 30 Ländern der Erde dieser Tage mit der Doppel-CD "Anthology" (Polydor/Universal) eine nahezu vollständige Retrospektive seines bisherigen Schaffens vor.

Den Reigen eröffnet der keyboardbetonte Discorocker "Remember", gefolgt von dem immer wieder gerne in Konzerten gespielten "Lonely Nights". Allerdings erzielten diese Frühwerke des Kanadiers nur in seinem Heimatland bzw. den USA einen gewissen Bekanntheitsgrad. In Europa war er damals noch unbekannt bzw. ein Insidertip. Dies änderte sich, als 1983 die LP "Cuts like a Knife" mit der gefühlvollen Pianoballade "Straight from the Heart" erschien.

Ein Jahr darauf veröffentlichte Bryan Adams mit der LP "Reckless" seinen ersten Meilenstein. Sechs von zehn Titeln des durchweg mitreißenden Albums wurden nun auf "Anthology" zu neuem Leben erweckt: der dunkel-nächtliche Großstadtrocker "Run to you", das lautstarke Liebeslied "Somebody", die Rockballade "Heaven" und der Partyhit "Summer of 69" sowie "It's only Love", ein höllischheißes Duett mit Tina Turner.

1987 erschien das ungleich persönlichere, weitaus weniger partykompatible Opus "Into the Fire", aus dem der gefahrenvolle Unruhe vermittelnde Mid-Tempo-Song "Heat of the Night" und der Rocker "Hearts on Fire" den Weg auf "Anthology" fanden.

Vier Jahre später folgte der Doppelschlag "Waking up the Neighbours", der neben Gitarrenboogie ("Can't stop this Thing we started") oder Romantik-Rock ("There will never be another tonight") ein deutliches Augenmerk auf Balladen der Marke "Everything I do (I do it for you)" legte. Dazu zählen auch die Schmachtfetzen "Thought I'd died and gone to Heaven" (1992), "Please forgive me" (1993) und das aus dem Historienfilm "Die drei Musketiere" stammende, gemeinsam mit Rod Stewart und Sting eingesungene "All for Love" (1994).

Auf dem Album "18 'til I die" (1996) hielten sich Rockkracher und seichte Popmelodien die Waage. Doch zu Hits wurden nicht der Up-Tempo-Rocker "The only Thing that looks good on me is you" oder der augenzwinkernde Titelsong (auf "Anthology" in Form eines Live-Mitschnitts gewürdigt), sondern das südamerikanisch angehauchte Gitarrennümmerchen "Have you ever really loved a Woman" bzw. die peinliche Schnulze "Let's make a Night to remember".

Nach einem 1997 erschienenen passablen Unplugged-Album - hier vertreten mit dem Gitarrenpopper "Back to you" und einer nahezu klassisch arrangierten Version des Rockers "I'm ready" - hatte sich Bryan Adams auf der CD "On a Day like today" streicherverzierten Kompositionen verschrieben wie dem verregnet-herbstlichen Titellied, dem Duett mit Ex-"Spice Girl" Mel. C., "When you're gone", oder dem für "Anthology" in einem nervtötenden Dancefloor-Remix aufgefahrenen "Cloud Number Nine", denen jedoch das Flair der alten Hits fehlte. Aller Ecken und Kanten beraubt zeigte sich ebenfalls die 1999er-Single "Best of me".

"Anthology" führt dem Hörer in schrillster Pracht die Wandlung vom geradlinigen Rock'n' Roller über den gefeierten Megastar zu einem Balladenonkel vor Ohren, der heute zwar noch mit Live-Auftritten von sich reden macht, mit seinen matten Studioproduktionen jedoch nur noch einen Platz unter vielen für sich in Anspruch nehmen kann. Darüber kann auch der bis dato noch nie auf CD gepreßte Bluesrocker "So far so good" nicht hinwegtäuschen.


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