© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Kampf gegen den Gestank Satans
Katholizismus: Ein langjähriger Weggefährte Pfarrer Hans Milchs würdigt dessen Kritik an der Konzilskirche
Werner Olles

Eine gewaltige Stimme im katholischen Leben ist in dieser Welt verstummt." Mit diesen Worten begann der damalige Generalobere der Priesterbruderschaft Pius X., Pater Franz Schmidberger, seine Traueransprache auf Pfarrer Milch nach dessen Tod am 8. August 1987. Der Hattersheimer Pfarrer war einem schrecklichen Mord zum Opfer gefallen. Mit zahlreichen Messerstichen hatte ihn ein offenbar geistesgestörter italienischer Herumtreiber, um den Hans Milch sich fürsorglich kümmerte, getötet und ihm zudem einen Pfahl in die Brust gerammt. Mit dieser gräßlichen Tat, die weit über die Grenzen seiner Gemeinde hinaus Aufsehen und Entsetzen erregte, endete Pfarrer Milchs langjähriges priesterliches Wirken.

1924 in Wiesbaden als Sohn eines Rechtsanwalts und Notars geboren, lernte er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Frankreich einen katholischen Priester kennen, der dort die hl. Messe feierte. Nach vielen intensiven theologischen Gesprächen konvertierte der Protestant im April 1946 zur römisch-katholischen Kirche. An der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt am Main studierte er Philosophie und Theologie. Am 8. März 1953 fand im Dom zu Limburg seine Priesterweihe statt. Kurz darauf feierte er seine Primiz in der Pfarrkirche seiner Heimatpfarrei Maria-Hilf in Wiesbaden.

Von 1962 bis zu seiner Amtsenthebung durch den Limburger Bischof Wilhelm Kempf im Oktober 1979 hatte Hans Milch das Amt des Pfarrers von St. Martinus in Hattersheim inne. In diese Zeit fiel das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), jene Bischofsversammlung in Rom, die ein völlig neues Selbstverständnis der Kirche formulierte. Mit der Öffnung zur Welt und der Versöhnung mit den nicht-christlichen Religionen erlebte die katholische Kirche zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Revolution, die sie in eine bis heute andauernde schwere Krise stürzte.

Der Modernismus als Sammelbecken aller Häresien

Als langjähriger Weggefährte von Pfarrer Milch geht Wolfgang Schüler, der an der Universität München in Philosophie promovierte, auf dessen Auseinandersetzung mit dem Konzil und seinen unheilvollen Folgen für die Kirche umfassend ein. Daher nimmt die kritische Analyse der einschlägigen Konzilsdokumente "Lumen gentium" ("Die dogmatische Konstitution über die Kirche"), "Gaudium et spes" ("Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute"), "Unitis redintegratio" ("Das Dekret über den Ökumenismus"), "Nostra aetate" ("Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen") und "Dignitatis humanae" ("Die Erklärung über die Religionsfreiheit") einen großen Teil seines Werkes ein.

Der revolutionäre Bruch mit dem traditionellen Selbstverständnis der Kirche "sprengte die Identität der katholischen Kirche mit der Kirche Jesu Christi auf" (Schüler). Durch die Behauptung der Irrtümer, den falschen konziliaren Ökumenismus, den Modernismus, den Relativismus, die Anbetung des Menschen und die Religionsfreiheit betreffend, wurde sie gleichzeitig schismatisch und häretisch. Zwar beteuerte das Konzil seine Traditionsverbundenheit, aber mit der Einführung der Neuen Messe durch Paul VI. und dem Verbot der überlieferten tridentinischen Messe zeigte der konsequente Modernismus als Sammelbecken aller Häresien schließlich sein wahres Gesicht.

Pfarrer Milchs Widerstand gegen die Glaubenszerstörung, die mit dem Niedergang des Erscheinungsbildes der Kirche und den Beschlüssen des Konzils einherging, begann mit der Gründung eines pastoraltheologischen Arbeitskreises im Bistum Limburg. Ein Jahr später, 1969, folgte sein Eintritt in die Bewegung für Papst und Kirche, deren Vorsitz er übernahm. Zunächst noch davon überzeugt, daß das Konzil gültige Texte verabschiedet hatte, die von den Modernisten und Progressisten nur falsch verstanden bzw. mißbraucht wurden, gelangte er jedoch schließlich zu der Einsicht, daß die Bischöfe und Rom tief in diesen allgemeinen Niedergang der Kirche verstrickt waren. Als er spürte, daß Kritik am modernistisch gewordenen Rom nicht mehr möglich war, folgte die Niederlegung seines Amtes als Vorsitzender der Bewegung für Papst und Kirche.

1972 gründete er die Gebets- und Sühnegemeinschaft actio spes unica ("Aktion einzige Hoffnung"). Auf großen Glaubenskundgebungen in Wiesbaden und Koblenz klagte er das Versagen der Bischöfe an, analysierte die Ursache der Kirchenkrise ("Der Skandal, vergessen Sie es nie, ist das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil") und versuchte mit Energie und Wortgewalt die Gläubigen zu Gebet und Opfer dafür zu bewegen, daß die totale Wende in der Kirche beschleunigt herbeigeführt werde. Sein Versuch, St. Martinus zu Hattersheim als Hort des katholischen Glaubens zu erhalten, verbunden mit einer kräfteverschleißenden Auseinandersetzung mit dem Limburger Bischof Kempf, endete schließlich mit seiner Amtsenthebung, da er auch die neue Liturgie, den Novus Ordo Missae (NOM), entschieden ablehnte. Denn diese veränderte die Funktion des Priesters in "ökumenisch relevanter" Weise und beinhaltete zudem gravierende Verkümmerungen, Auslassungen, Fehler, Sinnentstellungen und sogar eindeutige Fälschungen bei der Übersetzung der Wandlungsworte aus dem Lateinischen in die jeweilige Landessprache.

Der Bau der Kapelle St. Athanasius, zu der er gut die Hälfte der Gläubigen aus St. Martinus mitnahm, und die schrittweise Annäherung an die von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete traditionalistische Priesterbruderschaft St. Pius X. war dann nur noch die letzte Konsequenz.

Die Neue Messe hielt er für Blasphemie, aber "voll gültig"

Hans Milchs priesterliches Wirken als Pfarrer von St. Athanasius und als Vorsitzender von actio spes unica, vor allem aber sein aufreibender Kampf gegen jene, die heute im Innenraum der Kirche das Sagen haben - selbst Paul VI. gelangte zu der späten Einsicht, der "Gestank Satans" sei in die Kirche eingedrungen -, werden vom Autor überzeugend gewürdigt. Weniger überzeugend ist der Abschnitt über die Auseinandersetzung Pfarrer Milchs mit dem Sedisvakantismus, jenem Flügel des katholischen Widerstands, der den Heiligen Stuhl seit dem Tode von Pius XII. wegen der Häresie und Apostasie seiner Nachfolger als vakant betrachtet.

Wenn Pfarrer Milch Aussagen und Handlungen der Päpste seit dem Zweiten Vatikanum zu Recht wörtlich als "antikatholisch" und "häretisch" bezeichnete, sich aber nicht dazu durchringen konnte, einen häretischen Papst im Sinne der heiligen Kirchenväter und Kirchenlehrer Bellarmin und Cajetan für abgesetzt zu erklären ("Papa haereticus depositus est"), ist dies zumindest inkonsequent, wenn nicht widersprüchlich. Selbst Erzbischof Lefebvre hielt die Sedisvakanz eine Zeitlang für "nicht unwahrscheinlich", als er anläßlich der Versammlung in Assisi im März 1986 ausführte: "Es ist möglich, daß wir zu glauben gezwungen sind, daß dieser Papst kein Papst ist. Ich will es noch nicht auf feierliche und formelle Weise sagen, aber es scheint auf den ersten Blick unmöglich, daß ein Papst öffentlich und formell Häretiker ist." Letztlich aber blieb auch Lefebvre bei der Anerkennung des Papstes (JF 48/05).

Auf dünnem Eis bewegte Pfarrer Milch sich auch, als er die modernistische Neue Messe inklusive der im Sinne der Allerlösungslehre gefälschten Wandlungsworte ("Das ist der Kelch meines Blutes ..., das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden" anstatt der korrekten Übersetzung "für euch und für viele") wörtlich als "sakrilegisch", "blasphemisch" und "abscheulich" bezeichnete, sie dann aber als "voll gültig" anerkannte. Man braucht kein Sedisvakantist zu sein, um hier Widersprüche zu entdecken, die nicht unter den Tisch gekehrt werden sollten.

Davon abgesehen, stellt Wolfgang Schülers Werk die bislang gründlichste und grundlegendste philosophische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und seinen unheilvollen Folgen für die römisch-katholische Kirche dar. Gewidmet hat es der Autor allen katholischen Priestern, die dem in den Innenraum der Kirche eingebrochenen Modernismus widerstehen, insbesondere den Priestern der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Foto: Pfarrer Milch bei einer Priesterweihe der Priesterbruderschaft St. Pius X. im Juli 1981 in Zaitzkofen (im Hintergrund Erzbischof Marcel Lefebvre): Die neue Liturgie lehnte der Traditionalist entschieden ab

Wolfgang Schüler: Pfarrer Hans Milch. Eine große Stimme des katholischen Glaubens. Mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil. Edition Actio Spes Unica 2005. 2 Bände, 1.730 Seiten, mit Bildteil, 49,90 Euro


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