© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

Weltweit deutsch
Jubiläum: Der frühere Verein für das Deutschtum im Ausland kämpft um seine Existenz / Gründung vor 125 Jahren
Martin Schmidt

Der VDA hat es nicht leicht heute. Hoch im Kurs steht er jedenfalls nicht, jener traditionsreiche Verband, der seit Ende 1998 den Namen "Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e. V. (VDA)" trägt und sich der weltweiten Solidarität zwischen Menschen deutscher Abstammung verschrieben hat. Gegründet wurde der VDA 1881 als "Allgemeiner Deutscher Schulverein". Den Landsleuten jenseits der Reichsgrenzen sollte geholfen werden, ihre Sprache und Kultur auch in neuer Umgebung zu bewahren. Der Verein, dem zunächst überwiegend Lehrer und Schüler angehörten, wuchs rasch. Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Felix Dahn, die Historiker Theodor Mommsen und Heinrich von Treitschke oder der Komponist Franz Liszt schlossen sich an. Im Jahre 1920 zählte die Organisation, die sich seit 1908 "Verein für das Deutschtum im Ausland" nannte, etwa 500 Ortsgruppen mit 70.000 Mitgliedern. Bis 1930 wuchs die Mitgliedschaft auf über zwei Millionen. Der "Reichsausschuß der deutschen Jugendverbände" zählte 1928 allein eine halbe Million Mitglieder von VDA-Jugendgruppen. Eine ganze Generation wuchs mit diesem Verein, seinem Symbol der blauen Kornblume und den öffentlichkeitswirksamen Schulsammlungen für Auslandsdeutsche auf.

In der Zeit des Nationalsozialismus konnte sich der VDA unter seinem Bundesleiter Hans Steinacher für ein paar Jahre eine vergleichsweise große Unabhängigkeit erhalten, ehe auch er 1938 gleichgeschaltet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien den alliierten Siegermächten die Interessenvertretung für auslandsdeutsche Gemeinschaften wegen ihrer "völkischen" Grundideen nationalsozialistisch vorbelastet und wurde verboten. Erst 1955 erfolgte die Wiedergründung in München, wobei der damalige bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD), Bayerns Kultusminister Alois Hundhammer (CSU) und der Industrielle Rolf Rodenstock zu den Initiatoren zählten.

Als überparteiliche und überkonfessionelle Vereinigung verstand sich der VDA weiterhin als Mittler zwischen dem Vaterland und den heute schätzungsweise noch gut 14 Millionen Deutschen außerhalb des geschlossenen Siedlungsraumes in Mitteleuropa, die sich der Heimat ihrer Vorfahren kulturell verbunden fühlen. Er unterstützt deutsche Schulen und deutschsprachige Medien im Ausland, fördert in besonderem Maße den Schüleraustausch zwischen Bildungsanstalten in deutschen Siedlungsgebieten und in der Bundesrepublik, organisiert verschiedenste Tagungen und Chorleiterseminare, vergibt Stipendien für junge Auslandsdeutsche, leistet Finanzhilfen für Doktorarbeiten und verleiht seit 1993 alljährlich einen Kulturpreis.

Heute ringt der VDA bei einem Altersdurchschnitt seiner Mitgliedschaft von schätzungsweise 65 Jahren um die Existenz. Der Verein erregt kaum mehr öffentliches Interesse. Bundesweit kam er zuletzt in die Schlagzeilen, als ihm in den neunziger Jahren finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der materiellen und kulturellen Unterstützung der Rußlanddeutschen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion vorgeworfen wurden.

Kein Geld mehr vom Auswärtigen Amt

Der prestigeträchtige, kurz nach der Wende errungene Status als "Mittlerorganisation" des Bundes ging verloren. Zum einen hatte das erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge, andererseits machte es den Verein frei von der Konzentration auf die in der Regel von vornherein zum Scheitern verurteilte Fördertätigkeit in der Russischen Föderation. Seitdem infolge des Regierungswechsels von 1998 die zuvor geleisteten jährlichen Millionenzahlungen aus dem Etat des Auswärtigen Amtes wegfielen, kann der VDA sein Hauptaugenmerk wieder auf jene Arbeitsfelder lenken, die ihm durch jahrzehntelange Verbindungen am vertrautesten sind: Ostmitteleuropa, Nord- und insbesondere Südamerika, Australien und das südliche Afrika. Die Entfremdung vieler Mitglieder durch eine überhandnehmende staatliche Bevormundung gehört der Vergangenheit an. Seit Ende 2004 sind nun endlich auch die im Raum stehenden Rückforderungen angeblich beim VDA verschlampter Millionenbeträge durch das Bundesinnenministerium vom Tisch. Heute finanziert man sich ausschließlich durch Beiträge und Spenden sowie zunehmend durch die von Mäzenen ins Leben gerufenen vereinseigenen Stiftungen: die Bertha-Mechow-VDA-Stiftung und die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland. Beide tragen schon jetzt wichtige Teile der Hilfstätigkeit und sollen auch mittels erhoffter Zustiftungen schrittweise die schwindenden Beiträge und Spenden ersetzen.

Anstelle des zeitweise zu befürchtenden plötzlichen finanziellen Endes droht jetzt das personelle Aus des laut Geschäftsführer Gerhard Müller noch rund 3.000 Mitglieder zählenden Verbandes. Neben der unübersehbaren Vergreisung stellt die starke regionale Zerstreuung der Mitgliedschaft ein erhebliches Problem dar. Einigermaßen funktionierende Landesverbände gibt es nur im Saarland, in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Wegen der mangelnden Mobilität der meisten Mitglieder existieren nur zwei echte VDA-Ortsgruppen in Stuttgart und Verden an der Aller. Neben diesen um eine regelmäßige inhaltliche Arbeit in Gestalt von Vortragsveranstaltungen bemühten Gruppen gibt es noch einen rührigen Arbeitskreis in Südostniedersachsen (Region Helmstedt, Königslutter, Schöppenstedt), der gemeinsame Reisen organisiert.

Immer wieder haben sich Aktivisten über die existenzgefährdende Struktur des Vereins die Köpfe zerbrochen und Gegenmaßnahmen überlegt, die bisher aber alle verpufften. Da war von "VDA-Clubs" die Rede, ähnlich denen der Rotarier und Lions, oder von Nachbetreuungsprogrammen, die die am Schüleraustausch beteiligten bundesdeutschen Jugendlichen und Lehrer längerfristig an die Organisation binden sollten.

Schüleraustausch als wichtigster Hoffnungsträger

Der Schüleraustausch ist derzeit wohl der wichtigste Hoffnungsträger des siebenköpfigen Vorstandes, an dessen Spitze Hartmut Koschyk steht, der neue parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. So wurde erst kürzlich eine eigene Internetpräsenz speziell zu diesem Thema eingerichtet ( www.vda-jugend-austausch.de ). Darüber hinaus gelang es in den vergangenen Jahren gelegentlich, junge Wissenschaftler, deren Forschungen der Verband finanziell unter stützte, für eine Mitarbeit im VDA zu gewinnen. Nicht wenige Vereinsmitglieder dürften mittlerweile trotzdem resigniert haben angesichts der übermächtig erscheinenden individualistischen, materialistischen und multikulturellen Prägungen der bundesdeutschen Gesellschaft. Andere arbeiten unermüdlich weiter für ihre Ziele. Neben manch bewundernswert idealistischen VDA-Veteranen gibt es auch jüngere Mitglieder, die das einzigartige Erbe dieses Vereins in die Zukunft tragen wollen. Zu den Hoffnungsträgern gehört Frank Schüttig, der seit Juli 2005 amtierende neue Schriftleiter des vierteljährlich erscheinenden Vereinsorgans Globus. Dieses hat in den jüngsten Ausgaben an inhaltlicher wie optischer Qualität gewonnen und ist mit seinen aktuellen Informationen sowie den abwechslungsreichen Reise- und Hintergrundberichten ein nicht nur für Mitglieder lesenswertes Periodikum über deutsche Kulturbeziehungen. Im letzten Heft des alten Jahres finden sich Ausführungen über eine Tagung deutschsprachiger Auslandsmedien in Brüssel, der Erfahrungsbericht einer bundesdeutschen Austauschschülerin in Rio de Janeiro, ein Artikel des Vorsitzenden des Verbandes der Deutschsprachigen Gesellschaften Argentiniens über Hilfslieferungen sowie historische Einblicke in ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstütztes Sonderforschungsprojekt über das Wirken deutscher Jesuiten in Lateinamerika. Blättert man in vorherigen Globus-Folgen, so stößt man auf sonst kaum zu findende Artikel über die Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon, über Japan-Deutsche oder das in Sofia auf deutsch erscheinende Bulgarische Wirtschaftsblatt sowie über deutsche Medien auf den Kanaren.

Sollten sich für all das tatsächlich keine jüngeren Deutschen mehr interessieren? Wenn dem so wäre, würde Deutschland wohl noch weiter verarmen. Und das nicht nur geistig, sondern ebenso wirtschaftlich. Schließlich hat die Verbreitung der deutschen Sprache im Ausland und die Fühlungnahme mit Deutschen in Chile, Australien oder Rumänien nachweislich handfeste wirtschaftliche Vorteile zur Folge.

Vielleicht muß man aber auch gar nicht schwarzsehen, diagnostizieren Soziologen doch angesichts der Folgen der multikulturellen Gesellschaft und der Globalisierung eine Besinnung von immer mehr Deutschen auf Kernbestände ihrer Kultur - Familie, Heimat, Traditionen. Die Solidarität zu Landsleuten jenseits der Staatsgrenzen könnte in diesem Zusammenhang wieder einen wichtigen Platz im öffentlichen Bewußtsein einnehmen und der VDA sein segensreiches Wirken für kommende Generationen fortsetzen. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie sich diese Organisation 2006 entwickelt und welche neuen Perspektiven sich bis zu der für Ende des Jahres in München geplanten 125-Jahr-Feier ergeben.

Kontakt: VDA, Kölnstraße 76, 53757 St. Augustin, Telefon: 0 22 41/21071, Internet: www.vda-globus.de .


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen