© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

CD: Metal
Metal Veneziano
Jörg Fischer

Aktuelle Musik aus Italien? Außer Eros Ramazzotti, Al Bano oder Ricchi e Poveri und den Urlaubs-Schnulzen, die es gelegentlich mal ins deutsche Radio schaffen? Da dürfte den meisten spontan nur Luciano Pavarotti und die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli (JF 42/05) einfallen. Manche erinnern sich vielleicht auch noch an Rondò Veneziano, das italienische Pop-Ensemble, das neu komponierte Stücke von Gian Piero Reverberi in barockem und venezianischem Stil mit klassischen und modernen Instrumenten spielt.

Aktuelle Rockmusik aus Italien ist den meisten nördlich des Brenners unbekannt. Anders sieht es da bei den Anhängern melodischen Metals aus: Lacuna Coil und Rhapsody konnten seit den 1990er Jahren zahlreiche CDs außerhalb ihrer Heimat verkaufen - sogar in den USA und Japan. Und wer an den klassisch-angehauchten Rhapsody Gefallen gefunden hat, der sollte auch ein Ohr für drei aktuelle CDs der Mailänder Plattenfirma BL Music aus deren englischsprachiger Metal-Abteilung Scarlet Records riskieren.

Die vierte CD von Vision Divine ist ein Konzeptalbum geworden: "The Perfect Machine" erzählt eine (im Zeitalter der Gentechnik nicht vollkommen) phantastische Geschichte aus dem Jahr 2043. Der italienische Biologe Arnaldo Mattei hat die menschliche DNS vollkommen entschlüsselt und so die "ewige Jugend" entdeckt - mit unabsehbaren Folgen. Unter www.visiondivine.com  ist das Ganze im Internet nachzulesen. Musikalisch hat Timo Tolkki (Oberhaupt der finnischen Metaller Stratovarius) als Produzent seine Spuren hinterlassen: Bombast-Metal mit eingängigen Melodien und tollen Arrangements. Selbst die zahlreich eingesetzten Tasteninstrumente drängen die "metallischen" Gitarren nie in den Hintergrund.

Ebenfalls ein Konzeptalbum, allerdings mit einer Thematik aus dem 15. Jahrhundert präsentieren Thy Majestie. 2003 war es die Schlacht von Hastings, in der Wilhelm der Eroberer 1066 den englischen König Harold Godwinson besiegte, die als Textvorlage diente und die zusammen mit dem berühmten Teatro-Massimo-Chor umgesetzt wurde. 2005 widmeten sich die sechs Italiener einer französischen Nationalheldin: Nach Verdis und Tschaikowskis Opern-Versionen folgt nun eine "metallische" Vertonung des Lebens und Sterbens der Jungfrau von Orléans, die während des Hundertjährigen Krieges die Franzosen erfolgreich gegen die Engländer führte.

In Titeln wie "Maiden of steel", "Up to the battle", "The rise of a king", "Siege of Paris", "Time to die" und dem finalem "The trial" wird die bewegende Geschichte der 1920 durch Papst Benedikt XV. heiliggesprochenen lothringischen Bauerntochter neu erzählt. Ansonsten bieten die zwölf Stücke der CD "Jeanne d'Arc" symphonisch-bombastischen Italien-Metal, der häufig an die Landsmänner von Rhapsody erinnert. Eingängig, melodisch hymnisch und immer mit Orchester- und Chor-Arrangements garniert wird das Album während der gesamten Spielzeit von über einer Stunde niemals langweilig.

Das läßt sich nicht über alle zwölf Platten des Tastenvirtuosen Eddy Antonini und seiner Band Skylark sagen, die seit 1995 erschienen sind. Auf der aktuellen CD "Fairytales" hat nun eine Blondine namens Kiara das Gros des Gesangs übernommen und Fabio Dozzo in den Hintergrund gedrängt. Allerdings nicht bei dem 18minütigen "Little Red Riding Hood", das den Höhepunkt des Albums darstellt.

Hier präsentieren sich die Italiener von ihrer besten Seite: klassisch, eingängig-melodisch und dennoch immer metallisch, ähnlich wie auf ihren beiden "Divine Gates"-Scheiben. Und Skylarks Version von Mike Oldfields "Moonlight Shadow" könnte sogar Popmusik-Freunden gefallen.


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