© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/06 13. Januar 2006

"Die NPD war mein Leben"
Sachsen: Der Landtagsabgeordnete Klaus Baier verteidigt seinen Austritt aus Partei und Fraktion
Marcus Schmidt

Das neue Jahr begann für Klaus Baier mit einigen Tagen Urlaub "im Ausland". Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, hatte der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete seinen Austritt aus Partei und Fraktion erklärt. Er folgte damit Mirko Schmidt, der einige Tage zuvor der Partei den Rücken gekehrt hatte, kurz darauf trat auch Jürgen Schön aus.

Den Ausschlag für seinen Schritt hätten die Beschimpfungen gegeben, die Schmidt von seinen ehemaligen Parteifreunden über sich ergehen lassen mußte, sagt Baier. Die Tage nach dem Austritt waren "etwas stressig", erzählt der 45jährige im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Das Fernsehen habe bei ihm in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge vor der Tür gestanden, hinzu kamen Telefonanrufe, die nicht immer freundlich waren. Den Austritt aus der NPD und der sächsischen Landtagsfraktion bereue er dennoch nicht, obwohl die Reaktionen "doller" gewesen seien, als er erwartet habe - "fast so wie bei einer Sekte".

Baier, Schmidt und Schön sehen sich von seiten ihrer ehemaligen Partei den Anschuldigungen ausgesetzt, sie hätten mit dem Verfassungsschutz gemeinsame Sache gemacht und seien gekaufte Verräter. Baier weist diese Vorwürfe weit von sich. Er hat eigens im Internet eine mehrseitige detaillierte Verteidigungsschrift publiziert. Den Vorwurf der Agententätigkeit bezeichnet er als Masche der NPD. "Immer wenn in den vergangenen Jahren einer vom Kreisvorsitzenden aufwärts die Partei verlassen hat, wurde behauptet, er sei ein Agent oder hätte Geldsorgen", sagt Baier. Auf ihn treffe beides nicht zu. Er sei wirtschaftlich unabhängig und betreibe seit elf Jahren einen Alten- und Krankenpflegedienst. Und erpreßbar durch Geheimdienste sei er auch nicht. Er habe lediglich beim Staatsschutz in Chemnitz darum gebeten, daß sein Haus bewacht werde.

Schmidt hatte nach seinem Austritt erklärt, die NPD sei nicht mehr nationaldemokratisch, sondern nationalsozialistisch. Baier möchte sich hierzu nicht äußern. "Von mir stammt das nicht", sagt er lediglich. Auch ein Eintritt in die CDU, wie ihn Schön für sich nicht ausgeschlossen hat, komme für ihn nicht in Frage. "Vieles in dem NPD-Programm finde ich nach wie vor nicht schlecht. Es kommt nur darauf an, was man daraus macht", sagt Baier und läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Landtagsfraktion der NPD seit dem Einzug der Partei in den Dresdner Landtag seiner Meinung nach zuwenig "daraus" gemacht habe. "Einige habe vergessen, daß wir im Landtag von Sachsen sitzen." Außenpolitik gehöre nicht dorthin, ebensowenig wie Geschichte. "Dafür sind die Historiker zuständig", sagt er mit Blick auf den "Bomben-Holocaust"-Eklat der Partei.

"Die Leute haben uns gewählt weil sie Arbeit haben wollen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre Mieten bezahlen sollen, und sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen." Die Debatte um Hartz IV sei ausschlaggebend für den Wahlerfolg gewesen, erinnert er. "Das Thema hat die NPD aggressiv, aber richtig aufgegriffen", sagt Baier noch heute. Er bemängelt, daß sich die Partei im Landtag nicht auf die soziale Frage konzentriere, statt zu allen Anträgen der anderen Parteien Gegenanträge einzubringen. "Klasse statt Masse" hält Baier für wichtiger.

Doch nicht nur inhaltliche Differenzen seien dafür verantwortlich, daß es in der Fraktion bereits seit einem halben Jahr gekriselt habe. Wie Schmidt und Schön kritisiert auch Baier, der seit 1999 dem Landesvorstand angehörte, daß nach dem Wahlerfolg NPD-Funktionäre aus anderen Teilen Deutschlands in Sachsen das Heft in die Hand genommen hätten.

In der kommenden Woche wollen sich die drei ehemaligen NPD-Abgeordneten erstmals zusammensetzen und miteinander beraten, wie sie im Landtag weiterarbeiten können. Derzeit verfügen sie im Parlament am Dresdner Elbufer nicht einmal über einen eigenen Telefonanschluß. "Vielleicht können wir als fraktionslose Gruppe zusammenarbeiten", sagt Baier, der ebenso wie Schmidt und Schön sein Landtagsmandat behalten will.

Von der von Schmidt ins Spiel gebrachten Gründung einer "Sächsischen Volkspartei" will er derzeit nichts wissen: "Es ist verfrüht, darüber nachzudenken." Ganz abgeschlossen, so scheint es, hat Baier, mit der NPD, der er 1998 beigetreten war, noch nicht. "Die NPD war zeitweise mein Leben", sagt er. So etwas schmeiße man nicht aus einer Laune heraus weg.

Klaus Baier (Foto)


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen