© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/06 13. Januar 2006

Kampf um die Vorherrschaft im Südwesten
Baden-Württemberg: CDU-Ministerpräsident Oettinger steht im Schatten seines Vorgängers / SPD stärkt Vogt den Rücken / Landtagswahl am 26. März
Andreas Strittmatter

Spät in diesem Jahr treiben die Narren in Baden-Württemberg ihr Unwesen, denn der Aschermittwoch fällt auf den 1. März. Für Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) und dessen CDU/FDP-Regierung geht dann der Rummel richtig los. Denn am 26. März, so schrieb Oettinger zum Jahreswechsel seinen Ministern und Staatssekretären, sei Landtagswahl, und "nach Fastnacht beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes". Was Oettinger auch weiß: "Die Menschen haben nach dem Hin und Her auf Bundesebene im vergangenen Jahr das Wahlkampfgeklingel satt".

In der Tat ist derzeit wenig von der Wahl zu spüren, von kleinen Vorstößen einmal abgesehen. So hinterließ Margot Queitsch, für die Freiburger SPD im Landtag, vor dem Christfest kleine Schokoweihnachtsmänner ("Rot, sozial, gerecht") in den Briefkästen stimmenträchtiger Wohnquartiere. Im Kleingedruckten wurde vorsorglich an die Landtagswahl erinnert. Um bei den "ewigen Zweiten", sprich den Genossen zu bleiben: Deren Spitzenkandidatin Ute Vogt startet mit einem vordergründig ansehnlichen Rückhalt ihrer Partei ins Rennen. Über 93 Prozent der Delegierten kürten sie auf dem Karlsruher Landesparteitag im März vergangenen Jahres zur Spitzenkandidatin. An der Basis dürfte Vogt weniger beliebt sein. Mancher Genosse in den Ortsverbänden verübelt der jungen Karrierefrau noch heute ihre angepaßte Haltung zum Schröder-Kurs, zudem war Vogt in den letzten Jahren viel in Berlin und wenig in der Landespolitik präsent. Vogt signalisierte durch den Verzicht auf ein Bundestagsmandat, sich künftig der politischen Arbeit im Land widmen zu wollen, ganz gleich, wie das Ergebnis der Wahl ausfällt. 33,3 Prozent erreichte die SPD 2001.

Oettingers Amt wurde damals mit 44,8 Prozent noch von Erwin Teufel errungen. Diesen putschte Oettinger mit einigen Gesinnungsfreunden vergangenen Jahr regelrecht vom Stuhl des Landesvaters. Oettingers Problem: Sein Charisma tendiert gegen Null. Während Teufel allein schon durch mitunter naive Hemdsärmeligkeit seine Anhänger begeistern konnte, bleibt Oettinger in jeder Hinsicht farblos. Mehr als den Ruf eines soliden Politarbeiters kann er kaum in die Waagschale werfen, eine eigene Arbeitsbilanz ist bislang nur schwer möglich. Bleibt das Vertrauen in die schwarze Wählerschaft, die sich in der Regel schon unter Teufel selten wirklich beirren ließ. Jeweils ihre feste Klientel haben Grüne und FDP. Während die Liberalen zuletzt 8,1 Prozent der Wählerstimmen erlangten, kamen die Grünen auf 7,7. Als nicht mehr ganz zu vernachlässigende Größe könnte sich die Linkspartei erweisen, die bei der letzten Bundestagswahl in Baden-Württemberg mit 3,1 Prozent der Erst- und 3,8 der Zweitstimmen vor allem der Sozialdemokratie Fleisch aus den Rippen geschnitten hat.

Zurück auf die landespolitische Bühne möchten die Republikaner unter Ulrich Deuschle. Von 1992 bis 2001 waren sie bereits im Stuttgarter Landtag vertreten. Deuschle will Oettinger vor allem mit wirtschafts- (Stichwort Mittelstand) und gesellschaftspolitischen Themen herausfordern. Das auch in der Baden-Württembergischen CDU sehr umstrittene Engagement bei der Stuttgarter Schwulenparade im vergangenen Jahr, das Sozialminister Andreas Renner mit Rückendeckung Oettingers ("Ein Mann ohne Werte", so Deuschle) an den Tag legte, läßt den Landesvorsitzenden ebenso wie die geplante Einführung islamischer Religionskunde an den Schulen auf Stimmen aus dem konservativen Lager hoffen. Nicht zuletzt die NPD im Visier, die gleichfalls zur Wahl antreten möchte, betont Deuschle, daß die Republikaner nicht nur die angestammte Rechte im Land, sondern auch eine auf Kommunal- und Kreisebene erfolgreich arbeitende Partei seien.

Und das Volk? Im Vergleich zu anderen Bundesländern können der Badener und Württemberger relativ zufrieden sein. Das Land verfügt über die wenigsten Arbeitslosen im Ländervergleich, und auch bei einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Thema "Die Bundesländer im Standortwettbewerb 2005" rangiert das sogenannte "Musterländle" in allen Punkten stets unter den drei erfolgreichsten Regionen. Gefragt waren Wachstumsdynamik, Erwerbstätigenquoten, Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, soziale beziehungsweise innere Sicherheit und Bildungseffizienz. Wie sich das achtjährige Gymnasium entwickelt, steht dabei noch ebenso in den Sternen wie die schulische Ganztagesbetreuung von Kindern im einzigen Bundesland mit Geburtenüberschuß. Ein Einfluß auf die herrschenden politischen Konstellationen dürfte sich daher am ehesten vom linken Rand und aus dem konservativen Spektrum heraus ergeben.


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