© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Kämpfer gegen das Böse
Heldengestalten in magischen Welten: Zum hundertsten Geburtstag des Fantasy-Autors Robert E. Howard
Werner Olles

Auch im deutschsprachigen Raum wimmelt es inzwischen von Serien über Geisterjäger, Vampirkiller und Dämonenbezwinger. Das Ganze ist in der Regel jedoch eine ziemlich austauschbare Angelegenheit. Bram Stoker hat seinen legendären Vampirroman "Dracula", ein wahrlich literarisches Kuriosum und zugleich einer der spannendsten Romane der Weltliteratur, im Jahre 1897 geschrieben. Die modernen van Helsings des 21. Jahrhunderts greifen jedoch eher zum Browning als zum Kruzifix, die Konfrontation mit dem Übernatürlichen findet auf entsprechendem Niveau statt. Blankes Entsetzen, das Hauptmerkmal jedes guten Mystery- bzw. Fantasy-Romans, bleibt zugunsten vordergründiger und ultimativer Horrorelemente auf der Strecke. Dies ist die Lage auf dem immer noch blühenden Markt der "Groschenromane".

Das war einmal ganz anders. In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte das amerikanische Pulpmagazin Weird Tales eine ungeheure Blüte. Es führte nicht nur neue Elemente der Serialität in die Horror Fiction ein, sondern erweiterte auch das Spektrum der phantastischen Erzählungen durch die Einführung der "Sword & Sorcery"-Literatur, des Vorbildes und Vorläufers der heutigen "Fantasy".

Vor allem drei Autoren machten Weird Tales durch ihre visionären Arbeiten in gewisser Weise unsterblich: Robert E. Howard (1906-1936), H. P. Lovecraft (1890-1937) und Clark Ashton Smith (1893-1961). Allesamt waren sie durch Korrespondenzen miteinander befreundet, schickten sich gegenseitig ihre Manuskripte zur Beurteilung und brachten in ihren Geschichten gerne auch maliziöse Anspielungen und launige Verweise auf Werke der anderen ein. Daß alle drei latente Psychoten waren, die ihre Sujets aus dem Jenseitsglauben des Abendlandes ableiteten, das Genre dann aber aus seinem in christlichen Paradigmen verwurzelten Ursprung befreiten, gehört wohl mit zu den Absonderlichkeiten, die gerade diese literarische Gattung seit ihren Anfängen begleiten.

Howard, Lovecraft und Smith zählen in der reichen Geschichte des "Pulp" - was wörtlich übersetzt "Papierbrei" bedeutet - zweifellos zu den wichtigsten Autoren. Jeder von ihnen besaß einen unverwechselbaren Stil, der gleichzeitig auch ihre Persönlichkeit kennzeichnete. Während Smith' exotische Erzählungen aus längst versunkenen Welten wie Hyperborea und fiktiven Provinzen wie Averoigne die glitzernde Pracht der orientalischen Märchen von 1001 Nacht wieder aufscheinen ließ, schuf Lovecraft mit seinem Cthulhu-Mythos ein Kontinuum des Bösen, dessen kosmische Schrecken jede uns bekannte Weltordnung zerbrachen, während seine "Helden" bestenfalls im Wahnsinn endeten. Seinem Freund Smith widmete Lovecraft übrigens die Erzählung "Der Flüsterer im Dunkeln", in der er ihn als Hohepriester von Atlantis unter dem Namen Klarkash-Ton auftreten läßt.

In Robert E. Howards Geschichten lernt der Leser nicht nur die düstere Romantik der keltischen Vorfahren des Autors kennen, sondern die konkrete Pseudohistorie des Menschen, von der grauen Vorzeit über den Untergang von Atlantis bis zur Eiszeit ("The Hyborian Age"). Seine Figuren sind starke, unbeugsame Helden, alles andere als gesundheitlich schwächelnde Okkultisten wie bei Lovecraft. Als Männer der Tat, die die kognitive Dissonanz des sie umgebenden magischen Grauens blutig, aber erfolgreich durchbrechen, sind sie jedoch auch immer von einer Aura der Schwermut und des Unheils umgeben: König Kull von Atlantis, der als Herrscher des urzeitlichen, vorsintflutlichen Reiches Valusien gegen die Schlangenmenschen kämpft ("Kull von Atlantis", "Herr von Valusien"), mit denen sich dann auch Smith in einigen seiner Geschichten befaßte. Oder Solomon Kane, der puritanische Abenteurer des elisabethanischen Zeitalters, der im dunkelsten Afrika Dämonen und böse Zauberer jagt ("Degen der Gerechtigkeit", "Rächer der Verdammten", "Gespenster der Vergangenheit", "Die Krieger von Assur"); der Piktenkönig Bran Mak Morn, der 200 Jahre n.Chr. in Britannien einen verzweifelten Kampf gegen die römischen Eroberer führt ("Schatten der Vergangenheit", "Gewürm der Erde", "Herrscher der Nacht"), Red Sonja, die heldenhafte und nicht minder schöne Kriegerin ("Horden aus dem Morgenland"), sowie Turlog O'Brien ("Die Bestie von Bal-Sagoth").

Und nicht zuletzt Conan, der cimmerianische Barbar, Howards wohl bekanntester Held, für den er alle anderen seiner Fantasy-Figuren vernachlässigte ("Conan", "Conan von Cimmerien", "Conan der Pirat", "Conan der Wanderer", "Conan der Abenteurer", "Conan der Krieger"). Einem weltweiten Publikum wurde Conan schließlich durch die beiden Kinofilme "Conan der Barbar" (1982) und "Conan der Zerstörer" (1984) mit Arnold Schwarzenegger in der Titelrolle bekannt. Für Schwarzenegger bedeuteten die Filme den Durchbruch in Hollywood.

Als seine Mutter starb, beging er Selbstmord

Howard, der am 22. Januar 1906 als Sohn eines Arztes im texanischen Peaster geboren wurde, war schon als Kind ein Außenseiter. Hochintelligent, introvertiert, launisch und sensibel, aber voller Stolz auf seine irisch-schottische Abstammung, begann er früh mit dem Schreiben. Seine ersten beiden Stories erschienen 1925 in Weird Tales, doch reichten die Honorare zunächst nicht zum Leben. So arbeitete er, nachdem sich seine Familie in der Kleinstadt Cross Plains niedergelassen hatte, wo sein Vater eine Praxis betrieb, unter anderem als Postangestellter, Sekretär, Buchhalter und Hilfsarbeiter, bis er sich 1928, nach dem Erfolg von "Red Shadows", der ersten Erzählung um seinen Helden Solomon Kane, ganz dem freiberuflichen Schreiben widmete.

Doch schon früh trieben ihn seine psychische Labilität, vor allem aber die starke Bindung an seine unheilbar erkrankte Mutter mehrmals an den Rand des Selbstmords. Als seine Mutter am 11. Juni 1936 starb, war Howard dreißig Jahre alt. Er begab sich an seinen Schreibtisch und schrieb folgende Zeilen: "So hebt mich auf den Scheiterhaufen/ Entschwinden sah ich die Gesichter/ Des Lebens Feier ist gelaufen/ Der Tod löscht alle Lichter". Danach setzte er sich in seinen Wagen, kurbelte die Fenster hoch und schoß sich eine Kugel in den Kopf. Acht Stunden später erlag er seinen Verletzungen, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.

Lovecraft schrieb in einem Nachruf über Howard und seinen Helden Solomon Kane: "Mit diesen Geschichten begann Mr. Howard, was sich als eines der wirkungsvollsten Elemente seiner Erzählungen entpuppen sollte - die Beschreibung gewaltiger Städte aus der älteren Welt, deren Türme und Gewölbe und Labyrinthe eine Aura von Furcht, nekromantischem Grauen ausstrahlen und die schon alt waren, bevor der Mensch kam. Keiner vermochte das so wie er!" 

Fantasy-Motiv von Frank Frazetta, Vikings: Umgeben von einer Aura der Schwermut und des Unheils Foto: "Weird Tales"-Ausgabe, April 1926

Weiterführende Literatur

Robert E. Howard: Rauher Sand und wilde Eichen. Ein autobiographischer Roman. Erster Deutscher Fantasy-Club e.V., Passau 1995, kart., 188 Seiten, 8 Euro

Ein Träumer aus Texas: Leben & Werk Robert E. Howards, hrsg. von Helmut W. Pesch, Erster Deutscher Fantasy-Club e.V., Passau 1987, nur noch antiquarisch zu erwerben.


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