© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/06 20. Januar 2006

Ausgewogen bleiben
von Alexander Griesbach

Die Zeit der "Männerfreundschaften", die die deutsch-russischen Beziehungen unter den Kanzlern Kohl und Schröder kennzeichneten, sie soll jetzt definitiv vorbei sein. Was das konkret heißt, hat der russische Präsident Putin zu spüren bekommen. Merkel setzte den Tschetschenien-Konflikt auf die Agenda, worüber Putin und sie "sehr lange" gesprochen haben sollen. Auch das im Westen kritisierte Gesetz zur Kontrolle der Nichtregierungsorganisationen sprach Merkel an. Darüber hinaus traf sie mit Vertretern von Putin-kritischen Menschenrechtsorganisationen zusammen.

Auf der anderen Seite will Merkel aber die Zusammenarbeit auf eine alle Bereiche umfassende "strategische Partnerschaft" hin ausweiten -auch im Streit um das iranische Atomprogramm will man sich eng miteinander abstimmen. Die "neue Nüchternheit", von der der Merkel-Besuch in Moskau geprägt war, muß nicht unbedingt eine Verschlechterung der Beziehungen bedeuten. Sie kann sogar zu größeren diplomatischen Spielräumen als bisher führen. Dies wird allerdings nur dann der Fall sein, wenn Merkel glaubwürdig bleibt, sprich: wenn sie gegenüber George W. Bush einen ähnlich offenen Ton anschlägt wie gegenüber Putin. Gerade hier aber gibt es signifikante Unterschiede: Merkel wagte in Washington gerade einmal einen zaghaften Hinweis auf Guantánamo. Themen wie die CIA-Flüge und anderes mehr sparte sie aus. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Intensität der deutsch-russischen Beziehungen weiter so entwickeln wird, wie es bisher der Fall war.


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