© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Mißverstandene Toleranz
von Curd-Torsten Weick

Das Sprachengewirr auf so manchem Berliner Schulhof ist beträchtlich. Es wird auf arabisch, polnisch, russisch, serbisch und in erster Linie auf türkisch getobt und gestritten. Das hat zwei Nebeneffekte. Die Lehrer stehen ratlos daneben, und die "Kids" beherrschen - vielleicht noch rudimentär - ihre Heimatsprache. Nur des Deutschen sind sie darob kaum mächtig. Um diesem Herr zu werden, verordnete sich die Berliner Herbert-Hoover-Realschule mit ihrem 90prozentigen Anteil von Schülern nicht-deutscher Herkunft eine Hausordnung, die allein zu Deutsch als Schulsprache verpflichtete. Das ging über ein Jahr lang gut. Denn die Hausordnung wurde von der Schulleitung, den interessierten Eltern und den Schülern selbst begrüßt. Sie verhindere unverständliche Polemik, fördere das Miteinander und vor allem die Ausbildungs- und Berufschancen, wird unisono erklärt und positiv bewertet.

So weit, so gut. Bis nun die türkische Zeitung Hürriyet (Freiheit) der Schule "Diskriminierung" vorwarf. Der Chor der "Hausordnungs"-Gegner erhob die breit gefächerte Stimme und artikulierte seine "Empörung" und "Entrüstung" über die "bestimmte Ressentiments" fördernde Sprachregelung. Doch selbst Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) und auch dessen Parteigenosse, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, hießen das Deutsch-Gebot auf dem Schulhof gut. "Es gibt eine bestimmte Art falsch verstandener Toleranz, die desintegrierend wirkt", erklärte Böger und setzte so eine Wegmarke, die auch so manchem "Falken" einleuchten müßte.


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