© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Kolumne
Der spanische Weg nach Europa
Klaus Hornung

Der Spanien-Korrespondent der FAZ, Leo Wieland, kommentierte jüngst die Europäisierung, die "europäische Aufholjagd" Spaniens vom einstigen "rückständigen, katholisch-patriarchalischen Gebilde" Francos über den "großzügig alimentierten Musterknaben" nach dem EU-Beitritt zu seinem heutigen "europäischen Niveau".

Es ist aufschlußreich, was er unter diesem fortschrittlichen und fortgeschrittenen europäischen Niveau versteht und wie er dabei kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Stichworte sind: "Atomisierte" Familien, hohe Scheidungs- und niedrige Geburtenraten, eine desorientierte Jugend, "Europameister" in Saufgelagen und Kokainmißbrauch, massive legale und illegale Einwanderung, dazu die famosen "Reformen" der dortigen Sozialisten, die auch hier zumeist ins Gewand der Befreiung, des Individualismus und der Menschenrechte drapiert sind, jedoch auf eine Mischung aus Egoismus und gedankenlosem Konformismus hinauslaufen, auf die vielberufene Toleranz für alle möglichen "gesellschaftlichen Minderheiten" (Homo-Ehe), Rücksichtslosigkeit im Alltag, unterentwickeltes Umweltbewußtsein. Kurzum: Dem Autor ist im Fall Spanien ein treffendes Kurzporträt des modernen, ach so fortschrittlichen und toleranten Europa gelungen, dieser nach dem Selbstverständnis ihrer sogenannten Eliten "besten aller möglichen Welten". Doch der denkende Zeitgenosse hat einige Fragen zu stellen: Ist dieses Europa im längst stattfindenden "Kampf der Kulturen" im Zeichen der Globalisierung zur Selbstbehauptung fähig und willens, ein Kontinent, der seine Massen alimentiert und seine wirklichen Eliten der Schöpferischen und Leistungsträger, etwa Ärzte und Erfinder, von sich stößt, in aller Welt hinausziehen läßt, dessen öffentliche Haushalte "für Soziales" und die Verwaltung der steigenden Arbeitslosigkeit das Zigfache etwa dessen für Verteidigung beträgt. Endet der Fortschritt früher, als manche meinen, im Hissen der grünen Fahne des Propheten in einem Weltteil, dessen islamische Bevölkerung schon heute rund zehn Prozent der Bevölkerung beträgt? Es kann wahrlich nicht schaden, ja es ist dringend, jenseits des Werbungsglanzpapier-Europa der Europäischen Kommission dem realen Europa den Spiegel vorzuhalten mit der eindringlichen Frage: Europa - wer bist, wohin bist du geraten in diesen Tagen, wohin willst du gehen? Mehr noch als um Umweltverschmutzungen geht es um die Innenwelt-Verschmutzung der Europäer. Und die guten Wegweisungen sind vorhanden, von Benedikt XVI. bis zu Botho Strauß.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen