© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/06 27. Januar 2006

Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
Stadtschloß-Rekonstruktion: Bundesbauminister Tiefensee rückt den Baubeginn des Humboldt-Forums in weite Ferne
Thorsten Thaler

Nun ist die Entscheidung endgültig gefallen, der Abriß des Palasts der Republik in Berlin-Mitte kann beginnen. Eine breite Mehrheit von Abgeordneten aus CDU/CSU, SPD und FDP lehnte vergangenen Donnerstag im Bundestag Anträge ab, mit denen Grüne und Linkspartei/PDS den bereits zweimal beschlossenen Abriß noch verhindern wollten. In namentlicher Abstimmung votierten 431 Parlamentarier gegen einen Aufschub, 120 stimmten dafür, 18 enthielten sich. Daß jetzt noch ein paar ewiggestrige Ostalgiker von "Bilderstürmerei", "Sieger-Aktion", "Rache-Abriß" und einer Entscheidung "gegen das Volk" sprechen - geschenkt.

Bedenklicher als solche Töne sind Äußerungen von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee. In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit rückte der SPD-Politiker den Baubeginn des Humboldt-Forums mit Schloßfassade in weite Ferne. "Vor 2012 werden wir mit dem Bauen nicht beginnen", sagte Tiefensee just am Tag der Parlamentsentscheidung. Sein Vorgänger Manfred Stolpe hatte zuletzt noch das Jahr 2007 genannt. Tiefensee dagegen erklärte, "daß wir es mit recht langfristigen Perspektiven zu tun haben. Vor 2018, 2020 wird das Humboldt-Forum kaum eröffnen können."

Prompt nahm Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) diese Steilvorlage auf. "Unsere Fachleute sammeln schon Ideen, wie wir mit dem Areal umgehen", verlautbarte ihre Sprecherin. Eventuell werde man für den Schloßplatz auch einen "landschaftsplanerischen Wettbewerb" ausloben. Am Ende, man ahnt es, entsteht mitten im Zentrum der deutschen Hauptstadt ein urplötzlich schützenwertes Biotop.

Die ganze Diskussion riecht nicht nur, sie stinkt gewaltig nach einer Verschiebung der Stadtschloß-Rekonstruktion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Was für eine erbärmliche Polit-Intrige!


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