© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/06 03. Februar 2006

"Jeder normale Mensch kennt diese Verbrechen"
Europarat: Kommunismus-Resolution angenommen / Konsequente Umsetzung jedoch gescheitert / Auch Bürgerliche gegen Gleichsetzung der Diktaturen
Ekkehard Schultz

Letzten Mittwoch verabschiedeten die Abgeordneten der aus Vertretern von 47 europäischen Staaten bestehenden Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) mit einfacher Mehrheit eine Resolution über die "Notwendigkeit einer Verurteilung der Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime".

Die Vorlage, in der eine klare Verurteilung der kommunistischen Verbrechen erfolgt und die Forderung nach deren weltweiter Ahndung vertreten wird, war von der Fraktion der Europäischen Volksparteien (EPP/CD) bereits am 14. Dezember in den Politischen Ausschuß der PACE eingebracht worden, wo sich eine deutliche Mehrheit für den Entwurf ausgesprochen hatte. Dennoch scheiterte bereits der erste Versuch, der Resolution konkrete Taten folgen zu lassen.

So sollte neben der Annahme der Resolution auch eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten des Europarats erfolgen, zur Aufarbeitung der Geschichte des Kommunismus eine Internationale Konferenz zu organisieren und ein gemeinsames "Museum des Gedächtnisses" zur Erinnerung an die Opfer dieses totalitären Regimes einzurichten.

Hintergrund dieses Vorschlages war die Tatsache, daß - im Gegensatz zu den NS-Verbrechen - die Verbrechen der Kommunisten von der internationalen Gemeinschaft nie untersucht und verurteilt wurden und es auch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks darüber keine Debatte auf politischer Ebene gab.

"Ausnahmslos alle totalitären kommunistischen Regime zeichnen sich durch massenhafte Menschenrechtsverletzungen aus", heißt es unter anderem in dem Resolutionsentwurf, der vom konservativen schwedischen Abgeordneten Göran Lindblad initiiert wurde. Doch schon in einer solchen Formulierung erblickten nicht nur die Kommunisten, sondern auch sozialdemokratische und bürgerliche Abgeordnete einen "ungerechtfertigten Versuch der Gleichsetzung". So forderte etwa der Ex-Vizechef der tschechischen Rechtsliberalen (ODS), Miroslav Benes, in der Debatte eine klare Unterscheidung zwischen "den Idealen des Kommunismus" und den "in dessen Namen begangenen Verbrechen". Der frühere Bürgermeister von Budweis (Ceské Budejovice) - der in der PACE mit den britischen Tories und der russischen Regierungspartei Einiges Rußland die rechte EDG-Fraktion bildet - erinnerte daran, daß zahlreiche opferwillige kommunistische Kämpfer "Seite an Seite mit den späteren Siegermächten des Zweiten Weltkrieges gegen den Faschismus gekämpft" und damit den Zusammenbruch dieses totalitären Regimes erst möglich gemacht hätten. "Wir sind nicht gegen die Verurteilung der Verbrechen kommunistischer Regime", erklärte der russische Duma-Abgeordnete und EDG-Kollege Konstantin Kossatschow. "Jeder normale Mensch kennt diese Verbrechen und kann sie selbstverständlich nicht gutheißen." Aber ein großer Teil der russischen Delegation werde nicht an der Abstimmung teilnehmen, weil mit der Verabschiedung der Resolution die Sowjetunion und "Hitler-Deutschland" auf eine Stufe gestellt werden sollen. So scheiterte der Vorschlag, da er die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreichte.

Führende Kommunisten hatten seit Wochen offen gegen die Annahme der Resolution mobil gemacht (JF 4/05). Sie warfen den Protagonisten der Erklärung vor, "Geschichtsrevisionismus übelster Art" zu betreiben. In einer von ihnen initiierten Gegenerklärung, die auch von Sahra Wagenknecht, EU-Abgeordnete der Linkspartei, unterzeichnet wurde, hieß es: Die Vorlage der EPP/CD sei "ein Text der Intoleranz. Er setzt Kommunismus mit Faschismus gleich und beginnt einen antikommunistischen Kreuzzug, welcher sogar über die McCarthy-Ära der fünfziger Jahre hinausgeht. Es ist ein Text, der die kommunistische Ideologie und kommunistische Aktivitäten praktisch kriminalisiert." Man halte "diese antikommunistische Resolution für inakzeptabel, da sie Antifaschisten, Kommunisten, Opfer von Nazismus und Faschismus und fortschrittliche Menschen generell angreift und den Weg zur Abschaffung grundsätzlicher demokratischer Rechte und Grundfreiheiten bereitet".

Doch trotz zahlreicher Aufrufe erschienen nur wenige hundert Demonstranten - darunter der russische PACE-Vertreter und KP-Chef Gennadi Sjuganow - zu einer Protestkundgebung vor dem Europaratsgebäude in Straßburg. Statt dessen bekundeten zahlreiche Demonstranten aus China ihre Zustimmung zu der Resolution, die auch eine klare Verurteilung von politischer Gewalt durch die heutigen KP-Machthaber des Reiches der Mitte enthält.

Russische Menschenrechtsorganisationen sowie einige liberale Presseorgane zeigten sich dagegen enttäuscht, daß in der verabschiedeten Fassung Rußland als Land mit noch bestehenden kommunistischen Strukturen nicht erwähnt werde. So sei "unklar, wie die PACE auf Rußland einwirken will, um die Realisierung der Resolution durchzusetzen.", schrieb die Nesawissimaja Gaseta. "Wie auch in den dreißiger Jahren ist der Westen heute viel mehr an den russischen Ressourcen als an der Einhaltung der Menschenrechte interessiert", so das Blatt. Der für seine Verbalattacken berüchtigte (aber meist Kremltreue) russische Nationalpopulist Wladimir Schirinowski hat ebenfalls für die Resolution gestimmt: "Die Kommunisten sind Verbrecher", meinte der Duma-Abgeordnete.

Foto: KP-Chef Sjuganow ehrt Stalin: "Antikommunistischer Kreuzzug"


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