© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/06 03. Februar 2006

Ungelebte Jahre
James Dean würde 75
Silke Lührmann

Den Marlon Brandos (JF 15/04) , Paul Newmans (JF 04/05), Clint Eastwoods (JF 22/05), Sean Connerys (JF 35/05) dieser Welt gratuliert es sich leichten Herzens und mit flinker Feder zu hohen Ehrentagen. Da sind Sternstunden zu feiern, Jugendsünden und Alterstorheiten zu belächeln, glückliche und mißglückte Ehen zu würdigen, die Höhe- und Tiefpunkte eines langen Lebens im Filmgeschäft zu kommentieren.

Aus James Dean hätte ein Brando, ein Newman, vielleicht gar ein Eastwood werden können, einer jener "Giganten" womöglich, wie er ihn 1955 in seiner letzten Filmrolle verkörperte. Statt dessen wurde er zur Legende: zum Inbegriff all derer, die schnell lebten und noch schneller starben. Das mag man tragisch finden oder aber in der Romantik dieser ungelebten Jahre schwelgen. Schon damals trauerten Nachrufe um die glanzvolle Zukunft, die ihm geraubt wurde. Der Dichter Frank O'Hara fühlte sich zu einem Zyklus von Elegien inspiriert, in dem er die Götter um Frieden für einen jungen Schauspieler anflehte, dessen Name aus den Leuchtreklamen der Kinos verblasse.

"Träume, als würdest du ewig leben. Lebe, als würdest Du morgen sterben", soll er gesagt haben, und man glaubt's gerne: So redet halt, wem das Schicksal den 25., geschweige denn den 75. Geburtstag mißgönnt hat, der heuer am 8. Februar zu feiern gewesen wäre. (Ungleich pragmatischer warb jüngst eine Bankenkette für 2,75 Prozent Habenzinsen: "Lebe, als ob es kein Morgen gäbe. Spare, als ob noch ganz viele davon kämen.")

In Fairmount, Indiana, wo er bei Verwandten aufwuchs, vertreibt das Heimatkundemuseum Mousepads, Feuerzeuge und Tassen mit seinem Konterfei. Zu den jährlichen Festivals in seinem Gedenken pilgern Besucher aus aller Welt. Neben diesem blühenden Devotionalienhandel und dem Geschmachte der Nachwelt besteht Deans Vermächtnis aus drei Filmen - zwei mittelmäßige Dramen und ein Klassiker des eigentlich dem B-Movie vorbehaltenen juvenile delinquent-("Halbstarken")-Genres, dessen zeitloser Reiz längst ausgerechnet in seiner Darstellung eines unschuldigeren, harmloseren Amerika liegt.

Ein Klassenfoto im Schul-Jahrbuch, das die Berliner Galerie Camera Work letzten Herbst bei ihrer Ausstellung zum 50. Todestag in der Glasvitrine auslegte wie eine kostbare Handschrift, zeigt "Jimmy Dean" bebrillt und mondgesichtig: ein häßliches Entlein, das ganz und gar nicht prädestiniert scheint, sich zum Schwarm mehrerer Generationen pubertierenden Weltschmerzes zu mausern. Flügge geworden, zog er zum Vater ins kalifornische Santa Monica, studierte dort halbherzig Jura und mit Leib und Seele Schauspielkunst. Nach Rollen in einer Pepsi-Werbung und als Johannes der Täufer in einem Erweckungsstreifen folgten zwei erfolgreiche Jahre am Theater in New York, bevor ihn Elia Kazan zurück nach Hollywood holte.

Dem Vernehmen nach soll er durchaus Talent besessen haben - nach seinem Durchbruch als verlorener Sohn in Kazans "Jenseits von Eden" (1954) verlangte die Kamera vor allem eins von ihm: daß er als "James Dean" posierte, so daß Sal Mineo ihn in "... denn sie wissen nicht, was sie tun" (1955) glatt an die Wand spielte, ohne daß es seinem Stern das winzigste Zäckchen abgebrochen hätte.

Foto: James Dean (1931-1955)


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