© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/06 10. Februar 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Eignungsprüfung
Karl Heinzen

Der Bundeswahlleiter ist unzufrieden mit der abnehmenden Bereitschaft junger Menschen, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Lediglich 68,8 Prozent der Wahlberechtigten unter 30 Jahren hätten bei der Bundestagswahl 2005 ihre Kreuzchen gemacht, insgesamt lag die Beteiligung bei 77,7 Prozent.

Staatsbürgerliche Pflichtvergessenheit ist insbesondere den jungen Männern in den neuen Bundesländern vorzuwerfen. Erschwerend kommt hinzu, daß sie Urnengänge offenbar als Chance auffassen, spätpubertäre Attitüden auszuleben. So entfielen 9,5 Prozent der gültigen Stimmen von Männern zwischen 18 und 24 Jahren im Beitrittsgebiet auf die NPD. Immerhin vier Prozent der gleichaltrigen Wähler erlaubten sich in den westlichen Bundesländern diesen üblen Spaß.

Aufrüttelnde Appelle an junge Menschen, ihre Wahlmüdigkeit zu überwinden, sollten daher überdacht werden. Unsere Demokratie lebt nicht davon, daß möglichst viele überhaupt zur Stimmabgabe schreiten. Viel wichtiger ist es, daß die Bürger eine vernünftige Wahl treffen. Bevor man Jugendlichen das schnell zu Überheblichkeit verleitende Gefühl vermittelt, sie seien so etwas wie Mitgestalter oder gar Souverän unseres Landes, gilt es ihnen also zu verdeutlichen, daß ihr Wahlrecht an die Voraussetzung politischer Reife geknüpft ist. Präferenzen für weit rechts stehende Parteien sind ein sicheres Indiz dafür, daß es an dieser mangelt.

Sollte sich der Trend junger Menschen in diese Richtung verstärken, muß über Konsequenzen nachgedacht werden. Vorstellbar wäre etwa, analog zu den Regelungen bei Fahranfängern, ein Wahlrecht auf Probe. Dieses wird nicht schematisch ab einem bestimmten Alter gewährt, sondern setzt das erfolgreiche Absolvieren einer staatsbürgerlichen Eignungsprüfung voraus. Um zu verhindern, daß die jungen Menschen das Wahlgeheimnis mißbrauchen, werden sie bei der Stimmabgabe begleitet - etwa von der Polizei oder, sofern gegen diese nicht ebenfalls Bedenken vorliegen, den Eltern. Lassen die Jungwähler bei der Stimmabgabe ein Fehlverhalten erkennen, wird ihnen dieses Recht wieder entzogen, und sie haben sich einer Nachschulung zu unterziehen, die durch einen neuerlichen Eignungstest abgeschlossen wird. Bestehen sie diesen und wird ihnen durch einen amtlichen Psychologen eine positive Persönlichkeitsentwicklung attestiert, sind sie fortan Wahlberechtigte auf Bewährung. Nach einer erfolgreichen Testphase könnte im übrigen erwogen werden, dieses Modell auf die Gesamtbevölkerung auszudehnen.


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