© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/06 03. März 2006

Das Geld fließt weiter
"Kampf gegen Rechts": Bundesregierung will künftig auch Programme gegen Linksextremismus und Islamismus fördern / Linke protestieren
Holger Wartz

Eigentlich hätte die Nachricht gar nicht so einschlagen dürfen, das Bundesfamilienministerium habe angekündigt, die Mittel, die im "Kampf gegen Rechts" ausgegeben werden, zu kürzen. Diese Botschaft verkündete in der vergangenen Woche zumindest der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Juso-Chef Niels Annen, der jetzt die "Projektgruppe Rechtsextremismus" im SPD-Vorstand leitet.

Dabei ist der Hintergrund der Nachricht weitaus unspektakulärer, als der Linksaußen Annen der Öffentlichkeit Glauben machen mag: Ein Sprecher der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) bestätigte, daß die Fördersumme von 19 Millionen Euro beibehalten werden soll - allerdings sollen künftig auch Programme, die sich gegen Linksextremismus und Islamismus richten, gefördert werden. Für Annen ist das eine "faktische Kürzung der Mittel zum Kampf gegen den Rechtsextremismus". Dabei war dieser spätestens seit der Ausrufung des "Aufstands der Anständigen" im Jahr 2000 durch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder der Linken liebstes Kind.

Die Idee ist simpel: Sponsert man genug nichtstaatliche Initiativen, die sich "gegen Rechts" engagieren, werde sich langfristig ein politischer Meinungsumschwung einstellen. Dabei war allerdings schnell klar, daß sich die Initiativen nicht gegen prügelnde Skinheads oder Neonazis richten sollte, sondern gegen den Humus, auf dem solche Gesinnungen erst wachsen könnten. Der Rechtsextremismus sei kein Extremismusproblem, er sei ein "Problem der Mitte der Gesellschaft". Folglich war es nur logisch, daß sich auch die Programme weniger als Resozialisierungsinitiativen für verirrte Neonazis verstanden, sondern als volkspädagogische Einrichtungen.

Nach Angaben des im September 2005 noch SPD-geführten Familienministeriums wurden so seit 2001 etwa 154 Millionen Euro Steuergelder in diese Programme "gegen Rechts" gepumpt (JF 37/05). Insgesamt dürfte der Betrag weitaus höher liegen, denn bereits im Jahr 2002 wurde das Gesamtfördervolumen des "Kampfes gegen Rechts" in einer Evaluierung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt. In jener Studie wurde auch klar skizziert, gegen was sich der "Kampf gegen Rechts" eigentlich richtet. So nannte die Untersuchung einige Einstellungen, die als günstige Rahmenbedingungen für Rechtsextremismus definiert werden.

Nur vereinzelter Widerstand von CDU/CSU-Politikern

Beispiele hierfür seien "die anhaltenden Debatten über Einwanderung, über das Bedrohungspotential des islamischen Fundamentalismus, die EU-Mitgliedschaft der Türkei, Asyl, das neue Staatsbürgerschaftsrecht oder die 'Normalisierung' der deutschen Geschichte." Mit dieser Aufzählung geraten ausschließlich Kernpositionen der damaligen Opposition aus CDU und FDP ins Visier der Programme gegen Rechts. Proteste gab es nur vereinzelt aus deren Reihen, meist wurde lediglich die finanzielle Großmannsucht gegeißelt, aber weniger die problematische Ausrichtung der geförderten knapp 4.000 Initiativen und Programme. Diese scheinen die bürgerlichen Parteien nicht durchblickt zu haben. Wie wäre es sonst zu erklären, daß der ehemalige sächsische Innenminister Heinz Eggert (CDU) 2004 in der Welt ausdrücklich das Engagement dieser Initiativen lobte und sich für noch mehr Fördergeld aussprach? Selbst der Bundesrechnungshof klagte im Jahr 2003 über diese Geldverschwendung angesichts chronisch leerer Haushaltskassen. Doch statt Einsicht zu zeigen, rügte die rot-grüne Bundesregierung ihrerseits den Bundesrechnungshof: Seine Kritik sei "nicht fach- und sachgerecht". Sogar "Oberflächlichkeit" wurde den Finanzhütern vorgeworfen.

Außer dem CSU-Politiker Norbert Geis wagte sich kein Unionspolitiker aus der Deckung hervor und sprang dem Bundesrechungshof zur Seite. So blieben die Programme des "Kampfes gegen Rechts" stets die ideologischen Lieblingsprojekte der rot-grünen Bundesregierung, bis der Machtwechsel in Berlin und der Verlust des Familienministeriums der Förderpolitik ein Ende zu bereiten schien.

So zeichnet sich jetzt ein neuer Konflikt innerhalb der schwarz-roten Koalition ab. Die geförderten Initiativen gehören oftmals zur linken Kernklientel, die bei Laune gehalten werden möchte. So bereiteten bereits in den vergangenen zwei Jahren vor allem Sozialdemokraten die Nutznießer der Fördermaßnahmen auf den sich abzeichnenden Machtwechsel vor. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, bezeichnete den öffentlich alimentierten "Kampf gegen Rechts" als einen "Dauerauftrag". Sein Fraktionskollege Sebastian Edathy machte derweil Druck für eine rasche Gründung seiner "Stiftung gegen Rechts". "Ein theoretischer Regierungswechsel würde sehr wahrscheinlich das Aus dieser Maßnahmen bedeuten", sagte Edathy vor der Bundestagswahl.

Auch die "Grüne Jugend" macht gegen den drohenden Geldverlust mobil. Der Rechtsextremismus, so machte die Jugendorganisation in der vergangenen Woche in einer Presseerklärung deutlich, sei nun einmal eine ganz besondere, unvergleichliche Gefahr: "Auch wenn sich die CDU politisch eher 'nicht links' verortet - so möge sie doch bitte endlich anerkennen, daß die menschenverachtende Ideologie der Nazis eben nicht genau dasselbe ist wie der politische Hintergrund der gewaltbereiten Antifa. Rechtsextremismus ist nicht gleich Linksextremismus, Auschwitz kann mit nichts verglichen werden!"

Union hat keine linken Förderprogramme gestoppt

Dabei scheinen die Sorgen umsonst zu sein. Denn die Erfahrungen von diversen Regierungswechseln auf Länderebene zeigen: Kaum irgendwo hat die Union tatsächlich linke Förderprogramme gestoppt. Dabei hätte der Führungswechsel im Bundesfamilienministerium überhaupt als Chance gesehen werden können, sich grundsätzlich über den Sinn und Unsinn solcher Programme, die sich selber gerne als "zivilgesellschaftlich" bezeichnen, Gedanken zu machen. Wie will man noch zusätzlich beispielsweise gegen Linksextremismus vorgehen? Die Frage scheint interessant, denn linksextremistische Initiativen, wie beispielsweise die "Jungedemokraten/Junge Linke", werden sogar seitens der Bundesregierung gefördert. Ebenso unausgegoren und aktionistisch scheint die Idee, gegen den Islamismus mittels "zivilgesellschaftlicher" Programme zu agieren. Nach wie vor fehlt eine allgemeinverbindliche Definition, was unter diesem Begriff eigentlich genau zu verstehen ist. Spätestens nach den Erfahrungen mit dem baden-württembergischen Einwanderungsfragebogen scheint auch hier Skepsis geboten. Dort werden konservative Einstellungen, die auch Christen vertreten, als islamistische Kennzeichen gedeutet.

Noch gibt es jedenfalls keine genauen Angaben, wie der öffentlich alimentierte "Kampf gegen Rechts" nun umstrukturiert werden soll. Es gibt vom Ministerium lediglich eine vage Andeutung, daß es etwas ändern werde. Es ist derzeit nicht auszuschließen, daß der rote Koalitionspartner in dieser Frage den Druck verstärkt und daß die Union das tun wird, was sie meistens in dieser Situation tut: einknicken.

Foto: Spitzenpolitiker beim "Tag der Demokratie" in Berlin (8. Mai 2005): Zuwendungen an Extremisten


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