© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

"Standfest und entschlossen"
Interview: Luftwaffengeneral a.D. Michael Vollstedt über den Widerstand ehemaliger Soldaten im Fall Mölders und Fürstenfeldbruck
Moritz Schwarz

Herr General, Sie gehören zu jenen ehemaligen Offizieren, die im März 2005 in einer Zeitungsanzeige in der "FAZ" gegen die Tilgung des Traditionsnamens Werner Mölders bei der Bundeswehr protestiert haben. Der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck hat jüngst sämtliche - vor allem nach verdienten Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges benannten - Kasernenstraßennamen aufgehoben (JF berichtete). Wird Ihr Kreis nun auch in diesem Fall aktiv werden?

Vollstedt: Man muß berücksichtigen, daß es sich beim Fall Fürstenfeldbruck nicht direkt um eine Maßnahme des Bundesverteidigungsministeriums, sondern um eine Initiative des dortigen Standortältesten handelt. Aber ich habe Sympathie für die sehr kritische Feststellung von General Graf von Kielmannsegg in der letzten Ausgabe Ihrer Zeitung, daß auch diese Maßnahme "im Kontext einer seit Jahren in der gesamten Bundeswehr stattfindenden Traditions- und Erinnerungsvernichtung ohne Beispiel" zu sehen ist. Allerdings wollen wir konstruktiv zur Traditionsbildung beitragen, deshalb haben wir die unglückselige Mölders-Entscheidung nicht isoliert betrachtet; wir richten unser Engagement allgemein auf die Traditionspflege der Bundeswehr.

In Fürstenfeldbruck hat man die Spirale schon weitergedreht, dabei betrachten Sie den Fall Mölders noch gar nicht als abgeschlossen.

Vollstedt: Das stimmt, aber man sollte unsere Standfestigkeit und Entschlossenheit nicht unterschätzen.

Das heißt?

Vollstedt: Wir konnten die Aufhebung von Mölders' Namenspatronat zwar nicht verhindern, dennoch haben wir Wirkung erzielen können. Zum Beispiel insofern, als mit der Tilgung nicht auch der Verzicht auf ehrendes Gedenken einhergeht. Dabei hatte dies der 1998 auf Antrag der PDS zustande gekommene Bundestagsbeschluß zur Legion Condor, der auch dem Fall Mölders zugrunde liegt, so verlangt. Das ehrende Gedenken durch die Mölders-Vereinigung, die eng mit der aktiven Truppe verbunden ist, bleibt mit Billigung des damaligen Verteidigungsministers Dr. Struck weiterhin gewährleistet. Es ist auch richtig, daß unser Verteidigungsministerium angesichts des vielfältigen Protests die Sache Mölders zunächst als Einzelfall dargestellt hat; das liegt mir schriftlich vor. Möglicherweise hat man dann auf eine Umbenennung weiterer Kasernen oder Verbände - die Zahl 28 wird kolportiert - verzichtet.

Dennoch, in der Hauptsache ist der Fall Mölders verloren.

Vollstedt: Ich möchte daran erinnern, daß immer noch eine Kleine Anfrage der FDP zu Mölders im Bundestag anhängig ist. Zwar hat der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Kolbow bereits darauf geantwortet, aber seine Antwort steht in krassem Gegensatz zu dem, was Minister Dr. Struck öffentlich geäußert hat. Es besteht also weiterhin "Klärungsbedarf". Außerdem liegen noch mehrere hundert Eingaben in dieser Sache beim Petitionsausschuß des Bundestages vor, und deren Erledigung wird angemahnt.

Das Bundesverteidigungsministerium hat in zwei Schreiben an die Mölders-Vereinigung deutlich gemacht, daß auch unter Strucks Nachfolger Jung keine Änderung der Politik des Hauses zu erwarten ist.

Vollstedt: Man hat lediglich erklärt, daß Minister Jung bei der Entscheidung Dr. Strucks zum Namensentzug bleibt. Dies bedauere ich, jedoch ist damit nicht gesagt, wie sich der Minister in Fragen der Traditionsbildung und -pflege insgesamt ausrichten will.

Besteht denn ernsthaft Hoffnung, daß hier noch eine Akzentverschiebung zu erwarten ist?

Vollstedt: Hoffnung besteht immer, und wir unterstreichen diese Hoffnung natürlich mit weiteren Diskussionen und Interventionen. Außerdem bereiten wir historische Quellen auf: eine fordernde Arbeit - mit Blick auf das vielerorts bekannte Gutachten aus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt zu Mölders jedoch nicht sehr schwierig. Dieses Gutachten, das die Haltung des Verteidigungsministeriums stark beeinflußt hat, ist schon mehrfach kompetent "zerpflückt" worden und kann in wissenschaftlichen Kreisen nicht mehr bestehen. Wir können aber inzwischen auch aus amtlichen deutschen Quellen belegen, daß die vielen tausend Soldaten der Legion Condor nicht verunglimpft werden dürfen, wie es mit dem Bundestagsbeschluß von 1998 beabsichtigt ist. Wir werden mit unseren Ergebnissen nicht hinter dem Berg halten.

Minister Jung ist nun bereits über 100 Tage im Amt, er hat es bisher aber noch nicht für nötig befunden, sich zu der Frage zu äußern. Ergebnis sind Vorgänge wie in Fürstenfeldbruck: Kommandeure versuchen auf eigene Faust Problemen zu entgehen, die durch die mangelnde Wahrnehmung der Richtlinienkompetenz durch den Minister nicht geregelt worden sind. Nicht nur für einen CDU-Mann, für einen Minister an sich eine traurige Bilanz.

Vollstedt: Der Minister ist in seiner Anfangszeit sicher mit vielen drängenden und wichtigen Fragen konfrontiert worden. In Sachen Tradition haben ihn vielleicht Mitarbeiter beraten, die schon den Protest gegen die Mölders-Entscheidung unterschätzt haben. Aber die eigentliche Herausforderung für alle, die sich in der politischen Bildung engagieren, ist die in der Gesellschaft zu weit verbreitete Geschichtslosigkeit. Gerade deshalb ist Traditionsbildung eine Führungsaufgabe, der sich auch die politische Leitung unterziehen muß.

Sind Sie von der CDU nicht enttäuscht?

Vollstedt: Es gibt in der Union positive Resonanz für unser Anliegen, und wir sind dankbar für die Unterstützung, die wir von Mandatsträgern und prominenten Amtsinhabern erfahren haben. Man sieht auch die aus linkssozialistischer Ideologie abgeleitete Kollektivschuld-These, wonach alle Wehrmachtangehörigen als Verbrecher zu brandmarken sind, die nicht - wie einige in sowjetischer Gefangenschaft - zum Sozialismus gefunden haben. Es ist klar, daß der Bundestagsbeschluß von 1998 die lupenreine Umsetzung dieser These für die Soldaten der Legion Condor darstellt. Daß dies gelingen konnte - tatsächlich handelt es sich um den einzigen Bundestagsbeschluß, der von der PDS durchgesetzt wurde -, liegt nicht zuletzt daran, daß die Geschichte der Legion Condor relativ schwach belegt und aufbereitet worden ist und sich da leicht alles mögliche hineininterpretieren läßt. Letztlich geht es aber nicht um die deutsche Einmischung in den Spanischen Bürgerkrieg, sondern um den versuchten Nachweis "brauner" Tradition bei der Bundeswehr und die Diskreditierung unserer Streitkräfte. Man muß darauf nicht reinfallen; man kann es durchschauen.

Nun hat diese Strategie mit den Maßnahmen Ihrer Kameraden in Fürstenfeldbruck einen unfreiwilligen Brückenkopf gefunden.

Vollstedt: Ich vermute, daß der Wunsch übermächtig war, Schwierigkeiten möglichst aus dem Weg zu gehen. Aber ich wiederhole, daß Tradi-tionsbildung und -pflege in der Bundeswehr eine originäre Führungsaufgabe sind, der man sich nie entziehen darf. Traditionen sollten nach den Leitvorstellungen der Inneren Führung mit der Truppe entwickelt werden. Sie sind einleuchtend zu erläutern - der Truppe wie der Öffentlichkeit. Sie sollen den Zusammenhalt und das berufliche Selbstverständnis der Soldaten fördern, den Bürgern die Rolle der Streitkräfte in unserem Staat verdeutlichen. Dazu muß die Führung ihre Vorstellungen, Absichten und Maßnahmen erklären. Daran mangelt es massiv.

 

Generalmajor a.D. Michael Vollstedt, 63, war Kommandeur der 2. Luftwaffendivision, zu der seinerzeit auch das damalige Jagdgeschwader "Mölders" gehörte, und Referats- bzw. Abteilungsleiter im Bundesministerium der Verteidigung und im Nato-Hauptquartier in Brüssel. Zuletzt befehligte er das Nato-Combined Air Operation Center 4 in Meßstetten. Er ist Mitglied der Mölders-Vereinigung. Mehr Informationen unter www.moelders.info

Foto: Eingang der Kaserne in Neuburg: 30 Jahre lang durfte das Geschwader den Ehrennamen "Mölders" führen, Foto: Michael Vollstedt

 

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