© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Bewährungsprobe bestanden
CSU: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber versöhnt sich nach den Turbulenzen der vergangenen Monate mit dem Parteivolk / Politischer Aschermittwoch
Paul Rosen

Testfall Stoiber: Für viele in der CSU-Führung wurde der Auftritt des Parteivorsitzenden beim Politischen Aschermittwoch in der vergangenen Woche zur Schlüsselfrage. Würde es Edmund Stoiber nach seinem hastigen Rückzug aus Berlin und dem danach einsetzenden Trommelfeuer der Kritik an seinem Amts- und Führungsstil noch einmal schaffen, Massen zu begeistern und den größten politischen Stammtisch Deutschlands in Schwung zu bringen? Ein schwieriges Unterfangen für den Parteichef, weil ihm auch der politische Gegner abhanden gekommen ist. Denn die SPD ist jetzt Koalitionspartner in Berlin. Das Ergebnis war eindeutig: Stoiber bestand den Härtetest und hat jetzt gute Chancen, 2008 Spitzenkandidat bei der Landtagswahl zu werde

Dem CSU-Chef selbst war klar, daß der Auftritt in Passau über seine politische Zukunft entscheiden würde. Keine Partei hat so hohe Ansprüche an ihren Vorsitzenden wie die CSU. Wäre Stoiber in der Dreiländerhalle ausgebuht worden, hätte er in Kürze zurücktreten können.

Ältere CSU-Mitglieder erinnern sich daran, daß es Franz Josef Strauß beim Aschermittwoch in den sechziger Jahren, als in Bonn eine große Koalition regierte, leichter hatte. Als Angriffsziele standen ihm die Außerparlamentarische Opposition und die kommunistischen Machthaber im Osten zur Verfügung.

Stoiber schaffte es ohne diese Feindbilder. Allerdings kann er davon ausgehen, daß er das Tal der Tränen noch nicht vollständig durchschritten hat. Immerhin waren in Passau mit 3.000 Zuhörern nur etwas mehr als die Hälfte der Besucher des Vorjahres gekommen. CSU-Vertreter wiesen darauf hin, daß immerhin 3.000 Menschen wegen Stoiber gekommen seien, während SPD-Chef Platzeck nur einige hundert Genossen um sich versammeln konnte. In der CSU-Führung gibt man sich aber nicht der Illusion hin, daß irgendein anderer Funktionär die Halle füllen könnte, wenn Stoiber nicht mehr da wäre. Hoffnung gibt dem CSU-Chef inzwischen eine Umfrage, die die Münchner Abendzeitung, beileibe kein CSU-freundliches Blatt, veröffentlichte. Danach wollen 52 Prozent der Bayern CSU wählen, und über 70 Prozent der CSU-Anhänger sind wieder mit Stoiber an der Spitze einverstanden.

Kein Beifall für die Erwähnung von Merkel

Der CSU-Chef redete über zwei Stunden, und die meiste Zeit davon absolvierte er Pflichtübungen, die die Zuhörer nicht von den Stühlen rissen. Seine Lobeshymnen auf den Erfolg von über 50 Jahren CSU-Herrschaft in Bayern gehören aber dazu und sind beinahe schon ein Passauer Ritual. Neu in diesem Jahr war, daß er die Berliner Regierung zu loben hatte, an deren Spitze eine Bundeskanzlerin der CDU steht: "Mit der neuen Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel geht es wieder voran", rief Stoiber in die Halle und mußte zu seinem Erstaunen feststellen, daß er für die Erwähnung von Merkel keinen Beifall bekam. Das war schon erstaunlich. Man kann davon ausgehen, daß sich in der Halle nur Unionsanhänger befinden, und trotzdem rührte sich keine Hand, als Stoiber die Kanzlerin, die den bei Unionsanhängern unbeliebten Gerhard Schröder abgelöst hat, lobte und pries. Möglicherweise gibt es zwischen Meinungsumfragen, die Merkel die höchsten Beliebtheitswerte zubilligen, und der tatsächlichen Einschätzung im Volk erhebliche Unterschiede.

Es waren Klassiker, mit denen Stoiber sich dann den Beifall der Zuhörer sicherte. So, als er gegen Unternehmer wetterte, die keine Verantwortung für ihre Mitarbeiter zeigten, sondern nur den Gewinn im Sinn hätten. Oder als er auf Brüsseler Eurokraten schimpfte, die mit EU-Subventionen die Verlagerung deutscher Arbeitsplätze ins Ausland mitfinanzieren. Der Vorschlag, härter gegen Sexualstraftäter vorzugehen, kommt auch stets gut an.

Ganz beifallssicher aber waren seine Schlußabsätze, die sich gegen Masseneinwanderung und Überfremdung durch integrationsunwillige Ausländer richteten. "Hier gilt das Strafgesetzbuch, nicht die Blutrache", war von Stoiber zu hören. Oder das: "Wer den Ruf des Muezzins in Berlin verlangt, sollte auch in Riad und Teheran das Glockenläuten zulassen."

Anders als im Vorjahr regiert die CSU in Berlin jetzt mit. Da könnte sie angesichts der Worte ihres Vorsitzenden beim Thema Integration gleich Taten folgen lassen.


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