© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Jobsharing im Bischofsamt
"Ökumene der Profile": Ein Ehepaar teilt sich das Amt eines Regionalbischofs von Nürnberg
Sabrina Moritz

Preisfrage: Ist der künftige evangelische Regionalbischof von Nürnberg ein Mann oder eine Frau? Richtige Antwort: Beides. Am 12. März werden die Eheleute Stefan Ark Nitsche und Elisabeth Hann von Weyhern gemeinsam in das Amt eines Regionalbischofs von Nürnberg eingeführt. Die Möglichkeit des "Jobsharing", wie es neudeutsch heißt, wurde ursprünglich geschaffen, um auch in Zeiten knapper werdender Pfarrstellen Theologenehepaaren die gemeinsame Arbeit in einer Gemeinde zu ermöglichen. Daß sich nun aber eine Theologin und ein Theologe ein Bischofsamt teilen wollen, ist ein Novum, nicht nur für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, sondern für den deutschen Protestantismus überhaupt.

Die Qualifikation der beiden ist beachtlich: Nitsche, ein gebürtiger Salzburger, ist gelernter Theaterregisseur, war nach seinem Theologiestudium lange Jahre Assistent und ist habilitiert; Hann von Weyhern war bereits in jungen Jahren Referentin beim Oberkirchenrat des Kirchenkreises München. Die Kärrnerarbeit eines Gemeindepfarramtes haben die Eltern eines schulpflichtigen Kindes, die jetzt ihren gemeinsamen Schreibtisch im Planungsreferat des bayerischen Landesbischofs räumen, nie erlebt. Dieser Malus schien ihre Chancen im Auswahlverfahren zeitweilig ernsthaft zu gefährden. Überflieger ohne Bodenhaftung sind beim Kirchenvolk nicht sehr beliebt.

Im ökumenischen Kontext ist die Einführung des ersten Theologenpaares in ein bischöfliches Amt symptomatisch für die gegenwärtige Freude der Evangelischen, ökumenisches Porzellan zu zerschlagen. Denn diese Premiere fügt sich nahtlos ein in das, was der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, anläßlich des Besuches von Papst Benedikt XVI. mit reformatorischem Gespür für Worte die "Ökumene der Profile" genannt hat.

Mit Ratzingers Papstwahl hörte der Spaß endgültig auf

Offiziell liest sich das recht diplomatisch als "doppelte Wahrnehmung der erreichten Nähe und der bleibenden Unterschiedlichkeit" der Konfessionen. Verdolmetscht freilich heißt das: Wir können auch ganz anders.

Die "Ökumene der Profile" ist das vorläufige Resultat einer Leidensgeschichte, die die evangelische Kirche mit der katholischen durchgemacht zu haben glaubt. Die römischen Verlautbarungen der letzten Jahre - die Erklärung "Dominus Iesus" (2000) über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der römisch-katholischen Kirche, die Instruktion "Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde" (2002) mit ihrem ontologischen Verständnis des Priesteramtes und die Instruktion "Redemptionis Sacramentum" (2004), die zur strikten Einhaltung der Ordnung der Eucharistiefeier mahnte - mußten den Eindruck erwecken, als besitze das ökumenische Gespräch mit einer naiven evangelischen Theologenzunft keinerlei Relevanz für Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der römisch-katholischen Seite.

Mit der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst, die zum Erstaunen vieler Protestanten nur wenig Entrüstung, dafür um so mehr kollektives Papsttum freisetzte (Bild: "Wir sind Papst!"), hörte der Spaß endgültig auf. Das evangelische Anything goes, durch Kirchentage und Synodalbeschlüsse unzählige Male vorgeführt, hatte seinen Charme endgültig verloren. Der Startschuß für die "Ökumene der Profile" war gefallen.

Seither also wird kräftig an einem evangelischen Profil gearbeitet. Und wie es die Arbeit an Profilen so an sich hat, wird dabei manches profiliert, was gar nicht zum Profil gehören würde, wenn es nicht dazu profilierte, einen eigenen Standpunkt zu profilieren. Doch ganz so naiv, wie es römische Verlautbarungen aussehen lassen könnten, sind selbst evangelische Theologen nicht. Die Klügeren unter ihnen wissen durchaus, daß etwa der Kirchentagsklassiker - die Forderung nach "ökumenischen Abendmahlsfeiern" - unrealistisch ist, solange nicht die dahinterstehenden Fragen nach dem beiderseitigen Verständnis von Kirche und geistlichem Amt geklärt sind. Nicht umsonst sind es gerade die römischen Verlautbarungen zu diesen Themen, die von den evangelischen Theologen besonders beargwöhnt werden - und die nun umgekehrt zur eigenen Profilierung verführen.

Das Friedenscamp durch das Kompetenzzentrum ersetzt

Wenn mit Stefan Ark Nitsche und Elisabeth Hann von Weyhern nun erstmals ein hochqualifiziertes Theologenpaar gemeinsam in ein Bischofsamt eingeführt wird, so ist das ökumenische Signal unmißverständlich: theologische Kompetenz und evangelische Konsequenz. Das mag ankommen im professionalisierungshungrigen Binnendiskurs einer Kirche, die in den letzten zwanzig Jahren den Strickpulli gegen den Nadelstreifenanzug und das Friedenscamp gegen das Kompetenzzentrum eingetauscht hat. Denn was zeugt von größerer Professionalität einer Kirche als ihre Bereitschaft, auch ein Bischofsamt, das nach verbreiteter protestantischer Lesart nichts anderes ist als ein Pfarramt mit besonderen Aufgaben, kompetenten "Jobsharern" zugänglich zu machen?

In der ökumenischen Wahrnehmung freilich gelten landeskirchliche Stellenteilungsmodelle, qualifizierte Überflieger und das Ausreizen eines rein funktionalistischen Amtsverständnisses wenig. Ein Ehepaar im Amte eines Regionalbischofs, das ist eine in sich widersprüchliche Konstruktion, die weder aus dem Neuen Testament noch aus der reformatorischen, geschweige denn der gesamtkirchlichen Tradition ableitbar ist. Und erst recht können damit weder Katholiken noch Orthodoxe etwas anfangen, die in ontologischen und hierarchischen Strukturen denken und auch das geistliche Amt, das Bischofsamt zumal, als Ausdruck einer geistlichen Wirklichkeit verstehen. Auf sie muß die künftige Nürnberger Doppelspitze exotisch, wenn nicht skurril wirken.

Kirchenamtliche Profilökumeniker mögen das begrüßen und sich klammheimlich freuen, den anderen mal so richtig gezeigt zu haben, was alles möglich ist in der Kirche Luthers. Das Recht aber, diesen anderen den Schwarzen Peter für eine mißlingende Ökumene zuzuschieben, haben sie auf lange Zeit verloren.

Foto: Eheleute Stefan Ark Nitsche und Elisabeth Hann von Weyhern


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