© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Liebe und Erlösung
Bayerische Staatsoper: Ein neuer "Fliegender Holländer"
Konrad Pfinke

Der Regisseur Peter Konwitschny hat öfter darauf hingewiesen, daß "Erlösung" das Gegenteil von "Lösung" sei. Das Wort bleibt problematisch. Nun hat er seinen Wagner-Inszenierungen eine neue Variante der Wagnerschen "Erlösung" angefügt. Nach "Parsifal" und "Tristan" hatte also "Der fliegende Holländer" Premiere an der Bayerischen Staatsoper. Zuvor hatte er die Inszenierung bereits in Moskau auf die Bühne gebracht.

Konwitschnys Inszenierung ist - bei allen neuen Bildern - durchaus werkgerecht. Bei ihm ist der Holländer kein lächerliches, unzeitgemäßes Gespenst. Erik ist hier genauso ernstzunehmen wie sein Gegenpart, und Senta ist eine, die es ernst meint mit dem "Erlösen". Daß ihr dabei die Treue zu Erik in die Quere kommt, ist wahrhaft tragisch. Erik ist denn auch nicht das gewöhnliche Sensibelchen, sondern ein selbstbewußter, doch gefühlvoller Mensch. Dabei gibt's durchaus was zu lachen: Wenn die Mädchen während ihres "Rädchen"-Gesangs auf den Rädern eines Fitneßstudios sitzen, darf man lachen - und doch daran denken, daß der Körperwahn der Damen geist- und sinnlos ist.

Schön auch, daß die uralte Mannschaft des Holländers in schönen Kostümen des 17. Jahrhunderts auftritt: Die Begegnung mit der Gegenwart mag sonderbar sein - im Sinne des Dramas ist sie nicht unlogisch, ja sogar realistisch. Kein Wunder, daß die fremdartigen, stummen Gestalten mit den rohen Matrosen ins wuselnde Gefecht geraten.

Der Schluß des Stücks ist verstörend, aber klug: Alles kracht hier mit dem Vernichtungsschlag zusammen, von dem der Holländer anfangs träumte. In allerletzter Treue jagt Senta die Szene in die Luft, weil es eine Lösung für sie und den Erlösungssehnsüchtigen nicht geben kann (denn sie hatte ja bereits einmal einen Treueschwur - den zu Erik - gebrochen).

Wagners "Erlösungsschluß" ist da nur noch ein zerkratztes Monogeräusch aus dem Off. Natürlich ist dieses Finale schockierend, aber es nimmt Sentas Treueschwur genauso ernst wie die Selbstvernichtungsphantasien des Holländers.

Die Inszenierung aber wäre nichts, stünden ihr nicht glänzende Sängerdarsteller zur Verfügung: Juha Uusitalo ist ein schön und kraftvoll agierender Holländer, Anja Kampe eine unhysterische, jugendlich begeisterte Senta von großem Format. Stephen Goulds Erik prädestiniert ihn für den nächsten Bayreuther Parsifal, während Matti Salminen immer noch ein beeindruckender Daland ist.

Bleibt das Bayerische Staatsorchester, das unter Adam Fischer einen geglätteten, doch nicht unaufregenden "Holländer" spielt. Die Klangkultur dieses Ensembles bildet das Fundament zu einem Abend, der beide ansprechen dürfte, die Liebhaber herkömmlicher Oper wie die Verfechter des "Regietheaters", denn beides wird geboten: die intelligente Durchleuchtung von im besten Sinne fragwürdigen Begriffen, aber auch großes Schau-Theater. Senta und der Holländer werden hier zu Menschen, die zwischen Wagners Vorstellungen und unseren Überlegungen zu "Treue", "Liebe" und "Erlösung" vermitteln. Das Publikum sah es ähnlich: Die Buhrufer standen an diesem Abend auf verlorenem Posten.

Die nächsten Vorstellungen an der Bayerischen Staatsoper, Max-Joseph-Platz 2, finden statt am 12. März um 18.30 Uhr sowie am 16. März um 19.30 Uhr. Telefon: 089 / 21 85 01

Foto: Daland (Matti Salminen), Holländer (Juha Uusitalo)


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