© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/06 10. März 2006

Frisch gepresst

Extremismusforschung. Obwohl es bis zum 60. Geburtstag noch etwas hin ist, hat sich der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse vorsorglich schon einmal eine Festschrift gegönnt. Zusammen mit Studien seines langjährigen Adlatus Uwe Backes (Dresden) versammelt Jesse die von ihnen gemeinsam verfaßten 16 einleitenden Essays ihres seit 1989 erscheinenden Jahrbuchs Extremismus & Demokratie nochmals zwischen zwei Buchdeckeln (Vergleichende Extremismusforschung. Nomos Verlag, Baden-Baden 2005, 413 Seiten, broschiert, 39 Euro). Diese Massierung programmatischer Stellungnahmen bietet dem Leser zumindest den Vorteil, die wissenschaftliche Fragwürdigkeit dieser Variante akademisch institutionalisierter Politikberatung ad hoc kennenzulernen. Ist doch "Extremismus" für Backes/Jesse "der Gegenbegriff zur freiheitlichen Demokratie", die aber wiederum auf "letzten Wertentscheidungen", auf "normativen Prämissen" beruhe, die sich nicht rational begründen lassen. Insoweit rekurriert die "Entscheidung" für die "Demokratie" ebenso auf jenen "absoluten Wahrheiten", die die beiden Politologen für ein Markenzeichen "extremistischer" Weltanschauungen ausgeben. Von diesen tiefen Rissen im theoretischen Fundament einmal abgesehen, grenzen Backe/Jesse sich in ihrem Bemühen um "Äquidistanz" zu den "Extremen" doch wohltuend von der Mehrzahl ihrer Kollegen ab, die allein den "Kampf gegen Rechts" zu ihrer pseudowissenschaftlichen Lebensaufgabe gemacht haben.

 

Konstanten. Ulrich March stellt den Fortschrittsgedanken der europäischen Geschichtsdeutung in Frage. Ihm zufolge bietet Geschichte "Wiederkehr und Parallelen von verblüffender Deutlichkeit, aber keine reinen Wiederholungen". Geschichte befinde sich stets zwischen Wandel und Dauer und schließe deshalb sowohl eine unbegrenzte menschliche Willensfreiheit als auch die totale Plan- und Machbarkeit der menschlichen Verhältnisse aus. March betont die Bedeutung von Tradition in der Identitätsfindung. In Deutschland habe es einen Rückgang des Traditionsbewußtseins gegeben. Die Ursachen liegen ihm zufolge "in der raschen Folge tiefgreifender Umwälzungen zwischen 1918 und 1989". Diese Vergangenheitslosigkeit spiegele sich vor allem in dem Geschichtsunterricht wider (Dauer und Widerkehr. Historisch-politische Konstanten. Edition Antaios, Schnellroda 2005, 141 Seiten, broschiert, 15 Euro).


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