© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Angriffe auf Redaktion, Vertrieb, Druckerei
Dokumentation: Die JUNGE FREIHEIT und ihre bitteren Erfahrungen mit der Einschränkung der Pressefreiheit
Hans Peter Rißmann

Die vorübergehende Ausladung der JUNGE FREIHEIT von der Leipziger Buchmesse aus politischen Gründen war nur das jüngste Beispiel in einer beinahe endlosen Kette von Angriffen und Diskriminierungen, gegen die diese Zeitung seit ihrer Entstehung zu kämpfen hatte. Wie in einem Brennglas kann man an der Geschichte der JF sichtbar machen, wie fragil Grundrechte in einer Demokratie sind, wenn sie nicht leidenschaftlich von ihren Bürgern - auch gegen einen Staat, der in sie eingreifen will - tagtäglich verteidigt werden. Nachfolgend dokumentieren wir Höhepunkte des Kampfes der JUNGE FREIHEIT um ihr Recht auf Pressefreiheit.

21. Januar 1994: Die erste Ausgabe der JUNGE FREIHEIT als Wochenzeitung erscheint. Die Pressekonferenz zum Wochenzeitungsstart platzt, weil rund 100 gewaltbereite Linksextremisten das dafür vorgesehene Hotel stürmen. Auf Flugblättern fordern Demonstranten das Verbot der JF, die "faschistisches Gedankengut" unter die Menschen bringe.

29. Oktober 1994: Bei einer Demonstration von rund 1.000 Mitgliedern linksextremer Gruppen gegen die JUNGE FREIHEIT kommt es in Potsdam-Bornstedt zu schweren Ausschreitungen. 200 Bereitschaftspolizisten schaffen es mit Mühe, die JF-Redaktion zu schützen.

4. Dezember 1994: Auf die Weimarer "Union-Druckerei", in der die JF gedruckt wurde, verüben Linksterroristen einen Brandanschlag, bei dem es zu einem Sachschaden von 1,5 Millionen Mark kommt. Die taz veröffentlicht am 21. Dezember das Bekennerschreiben, dem auch zu entnehmen ist, daß die Täter hinter einem Anschlag gegen den Pressevertrieb Berlin stehen, bei dem ein Lieferwagen in Flammen aufging.

13. Dezember 1994: Einen von der JF initiierten Appell "Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden - Appell anläßlich des Anschlags auf die Druckerei der JUNGE FREIHEIT" unterschreiben u.a. Daniel Cohn-Bendit, Peter Gauweiler, Richard Herzinger, Ulrike Poppe und Thomas Schmid. Erst nach diesem Appell berichten zahlreiche Medien erstmals über diesen Terroranschlag. Obwohl der Generalbundesanwalt wegen des "Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung" ermittelt, werden die Täter nie gefaßt.

18. Januar 1995: Bei einem erneuten Anschlag auf die JF geht das Auto von Chefredakteur Dieter Stein in Flammen auf.

Mai 1995: Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erhebt im Verfassungsschutzbericht für 1994 erstmals den Vorwurf, es existierten "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen in der JF".

Oktober 1995: Die JF zieht von Potsdam nach Berlin um. Der Potsdamer Vermieter hatte unter dem Druck der Anschläge und auch der Presseberichterstattung der JF gekündigt. Innerhalb kürzester Zeit wird der neue Vermieter in Berlin derart unter Druck gesetzt, daß der JF wieder gekündigt wird und sie erneut umziehen muß. Seit Oktober 1996 befindet sich der Verlag nunmehr in Berlin-Wilmersdorf.

25. Oktober 1995: Unbekannte Täter verüben einen Nebelbomben-Anschlag auf den Großen Kursaal in Bad Cannstadt. Die örtliche FDP veranstaltete eine Podiumsdiskussion, zu der neben Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl auch JF-Chefredakteur Dieter Stein eingeladen war.

März 1996: Eine seit 1992 laufende Kampagne von Linksradikalen gegen den freien Verkauf der JF am Kiosk erreicht einen neuen Höhepunkt. In vielen Kiosken ist die JF gar nicht mehr oder nur noch unter dem Ladentisch erhältlich.

Februar 2000: Der Rektor der Universität Potsdam, Wolfgang Loschelder, untersagt die Verbreitung der Studentenzeitung Gaudeamus, weil sie eine Werbeanzeige der JF enthält. Die JF erhebt Klage gegen die Universität Potsdam vor dem Verwaltungsgericht. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist bis heute offen.

18. August 2000: Der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, Christian Meier, wird für sein Interview in der JUNGE FREIHEIT in den Medien scharf angegriffen, Darmstädter Stadtverordnete sprechen unter Berufung auf den NRW-Verfassungsschutz von einer "skandalösen Veröffentlichung" "angesichts der wachsenden Bedrohung durch gewalttätigen Rassismus und Neonazismus". Dies ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Serie von Kampagnen gegen Interviewpartner der JF.

5. Januar 2001: Mit einem sechszeiligen Schreiben kündigt die Deutsche Postbank der JUNGE FREIHEIT ihr Hauptgeschäftskonto aus politischen Gründen. Wie sich herausstellt, stützt sich die Postbank bei ihrem Vorwurf auf haltlose Verdächtigungen des NRW-Verfassungsschutzes. In großformatigen Anzeigen erscheint am 1. Februar 2001 in überregionalen Tageszeitungen ein "Appell für die Pressefreiheit", den zahllose Prominente, darunter Focus-Chef Helmut Markwort unterzeichnen. Die Postbank zieht noch am selben Tag die Kündigung zurück.

2. Februar 2001: Helmut Markwort kritisiert öffentlich massiv die Praxis des NRW-Verfassungsschutzes: "Ich sehe eine Tendenz, daß man rechte Positionen immer mit rechtsextremen in einen Topf wirft. (...) Für mich ist die JUNGE FREIHEIT ein Medium, das innerhalb des demokratischen Systems steht." 

23. Januar 2003: Im Halle/Saale kommt es zu Ausschreitungen während eines Vortrages des JF-Chefredakteurs Dieter Stein auf einem Verbindungshaus. Sein Auto wird schwer demoliert, Front-, Heck- und zwei Seitenscheiben durch Pflastersteine zertrümmert.

14. Mai 2004: Der langjährige Osteuropakorrespondent der Tageszeitung Die Welt und regelmäßige JF-Mitarbeiter Carl Gustaf Ströhm stirbt. Die JF fragt beim zum Springer-Verlag gehörenden Ullstein-Bilderdienst, der ansonsten alle Medien bedient, nach, ob aus Anlaß des Todes dieses verdienten Springer-Mannes Fotos aus seiner Zeit bei der Welt in der JF gedruckt werden können. Unter Verweis auf die Erwähnung der JUNGE FREIHEIT in den Verfassungsschutzberichten von NRW lehnt es der Springer-Verlag ab, Bilder von Ströhm an die JF zu liefern, selbst als Mitglieder der Familie Ströhm persönlich beim Springer-Verlag darum bitten.

7. November 2004: Egon Bahr, einstiger Vertrauter des SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Willy Brandt, wird Opfer einer Pressekampagne, weil er der JUNGE FREIHEIT ein Interview gegeben hat.

26. Januar 2005: Der Filmemacher, ehemalige Chefredakteur von "stern-tv" und "Lübbe-TV", Publizist und langjährige JF-Autor Wolfgang Venohr stirbt. Eine von der JF in Auftrag gegebene Todesanzeige wird von der Tageszeitung Die Welt trotz ursprünglicher Annahme wieder aus dem Blatt genommen. Springer-Chef Mathias Döpfner läßt mitteilen, daß Anzeigen der JF wegen der Beobachtung durch den NRW-Verfassungsschutz in jedem Fall - auch von Todesanzeigen - nicht gedruckt werden.

29. März 2005: Wie der Tagesspiegel berichtet, wurde im Bundesvorstand der SPD ein Leitfaden zum Thema Rechtsextremismus vorgelegt. Dort wird empfohlen, der JUNGE FREIHEIT grundsätzlich keine Interviews mehr zu geben.

28. Juni 2005: Das Bundesverfassungsgericht verkündet seine Entscheidung, nach der alle Urteile von NRW-Verwaltungsgerichten aufgehoben sind, die eine Erwähnung der JF in Verfassungsschutzberichten rechtfertigen. Die FAZ kommentiert: "Verfassungsschutzberichte gelten gemeinhin als seriöse Quellen. Ihre Inhalte werden oft zitiert, als handele es sich um letzte Wahrheiten. (...) Vor gut zehn Jahren, als die jetzt beanstandeten Berichte erschienen, wurde ein Brandanschlag auf die Druckerei der JUNGE FREIHEIT verübt - und weitgehend beschwiegen. Das sagt auch etwas über die Pressefreiheit, an die das Bundesverfassungsgericht nun wieder erinnert hat."

Quelle: Alexander von Stahl, Kampf um die Pressefreiheit. Chronologie eines Skandals. 2. erw. u. überarb. Neuauflage, Edition JF, Berlin 2005

Foto: Pflastersteine, mit denen im Januar 2003 in Halle die Windschutzscheibe vom Auto des JF-Chefredakteurs zertrümmert wurde


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