© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Lennart Meri: Ein Europäer
Für Freiheit, Heimat und Selbstbestimmung
Jörg Fischer

Wenn die Zukunft Europas auf das Zusammenrühren eines ethnischen Einheitsbreis hinauslaufen sollte", so sagte Lennart Meri einmal seinem Freund Carl Gustaf Ströhm, "dann wäre dies ein unrühmliches Ende für Europa." Daß dies nicht geschieht und daß Estland auch politisch wieder Teil Europas wird, war sein Lebensziel. 1929 in Reval (Tallinn) als Diplomatensohn geboren, verbrachte Meri seine Kindheit in Paris und Berlin, wo er sein perfektes Deutsch erlernte. 1941, nach der Okkupation Estlands durch die Sowjetunion, wurden er und seine Familie nach Sibirien deportiert, erst 1946 konnte er nach Estland zurückkehren. In Dorpat (Tartu) studierte er Geschichte. Da er zu Sowjetzeiten nicht als Historiker arbeiten durfte, wurde er Übersetzer, Dramaturg und Schriftsteller, später sogar Direktor von Tallinnfilm und Chef des Estnischen Institutes. In den achtziger Jahren engagierte er sich in der Umweltbewegung, die gegen den Phosphorit-Abbau kämpfte - und schließlich Basis der "Volksfront" für die Unabhängigkeit wurde. Nach 1990 wurde er Außenminister und Botschafter. Von 1992 bis 2001 war Meri estnischer Präsident. In seiner Berliner Rede am 3. Oktober 1995 forderte er, Deutschland müsse aufhören, eine "Canossa-Republik" zu sein (JF 19/05). "Seine Arbeit half, die estnische Identität zu sichern und zu stärken in Zeiten, als ein feindliches, totalitäres Regime herrschte", sagte Präsident Arnold Rüütel über Meri, der am 14. März im Tallinner Magdalenen-Hospital verstarb.

Foto: Lennart Meri: Ein Europäer


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