© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/06 17. März 2006

Frisch gepresst

Eurokratie. Hans-Herbert von Arnim, hartnäckiger Kritiker der bundesdeutschen Parteienoligarchie, wendet sich in seinem neuesten Erzeugnis einem nicht minder Anlaß zu fundamentaler Kritik gebenden Komplex zu. Diesmal sind die Institutionen der Europäischen Union Zielscheibe seiner Kritik. Da er nicht nur mitheulen will im nicht gerade kleinen Heer der Euro-Kritiker, holt von Arnim zum ganz großen Rundumschlag aus. Seine Philippika, straff gegliedert wie eine juristische Lösungsskizze, verschont kaum einen Sektor - sei es das EU-Parlament, die Kommissionen, den Europäischen Gerichtshof oder die Frankfurter Zentralbank. So seziert von Arnim Problemfelder wie EU-Haftbefehl, Subsidiarität, Demokratiedefizit durch systemimmanente Fehler, die Agrarpolitik und das "Lobbying" in Brüssel. Richtig in Fahrt kommt der Jurist allerdings bei seinen Steckenpferden, der Kritik an Amtsmißbrauch, Parteienwirtschaft oder Selbstbedienungsmentalität (Das Europa-Komplott. Wie EU-Funktionäre unsere Demokratie verscherbeln. Carl Hanser Verlag, München 2006, 442 Seiten, gebunden, 24,90 Euro).

EU-Kritik. Etwas weniger fundiert und auch institutionalisiert als mit der von Arnimsche Mängelliste gehen die beiden österreichischen Journalisten Michel Reimon und Helmut Weixler mit der EU ins Gericht. Letzterer hat als Pressesprecher der Grünen-Fraktion auch direkten Einblick in die Brüsseler Mechanismen. Plakativ definieren sie ihre Kritik anhand von "sieben Todsünden". Die Undurchschaubarkeit der Institution verursache das Demokratiedefizit, die Osterweiterung sei schlecht vermittelt worden, jeder arbeite gegen jeden, womit die vorherrschende Vertretung nationaler Interessen gemeint ist. Diese fordert Daniel Cohn-Bendit in seinem Vorwort natürlich zu überwinden. Doch auch der Euro-Grüne muß zugestehen, daß das "Neue das Alte noch nicht ersetzen kann". Wie die Autoren bemerken, ähneln sich die Kritiken sogar unabhängig von der politischen Heimat. Kompatibel zwischen Rechts und Links sind sicher auch die auf den letzten Seiten präsentierten "Tugenden", die aus der Sackgasse führen könnten. Fraglich bleibt, ob hehre Ziele wie mehr Partizipation oder mehr Solidarität jemals Realität werden (Die sieben Todsünden der EU. Vom Ausverkauf einer großen Idee. Ueberreuter Verlag, Wien 2006, 192 Seiten, gebunden, 19,95 Euro).

Fluchtziel Dänemark. Mit nur geringfügiger Übertreibung darf man sagen, daß alle Ost- und Westpreußen sowie die Hinterpommern sich im Frühsommer 1945 in Schleswig-Holstein und Dänemark wiederfanden. In der ständig anwachsenden Zahl der Veröffentlichungen, die ihr Interesse schon deshalb vom Flucht- und Vertreibungsgeschehen abwenden, um nicht von polnischen und sowjetischen "Tätern" sprechen zu müssen, fallen besonders die sozial- und alltagshistorisch orientierten Untersuchungen über die Flüchtlingslage in den westlichen Aufnahmeregionen ins Gewicht. Eine solche positivistische, keinen Aspekt des Flüchtlingsdaseins im "Lager" auslassende, von der Gesundheitsfürsorge über die Kriminalität bis zu "Spiel und Sport" reichende Arbeit präsentiert Karl- Georg Mix: "Deutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945-1949 (Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005, 230 Seiten, Abbildungen, 49 Euro).


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