© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

Keine Revolution
von Jörg Fischer

Dieses Land ist die letzte wirkliche Diktatur in Europa", erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, anläßlich der Präsidentschaftswahl in Weißrußland. Und angesichts einer offiziellen Zustimmung von 82 Prozent für Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei 90 Prozent Wahlbeteiligung glaubt wohl niemand, daß dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Doch eine wie auch immer titulierte "Revolution" nach dem Vorbild Serbiens, Georgiens oder der Ukraine wird vorerst ausbleiben - trotz Tausender Oppositionsanhänger, die in Minsk mutig gegen die Wahlfarce protestierten. Es fehlt die "revolutionäre Situation", denn "die da oben" können noch weiterregieren, und "die da unten" wollen (mehrheitlich) so weiterleben - das bestätigen selbst westliche Analysen.

Lukaschenko ist sicherlich kein Demokrat, sondern ein autoritärer Herrscher - aber einer mit Zuckerbrot und Peitsche. Letztere bekommen alle Regimekritiker zu spüren, die jüngste Drohung, "wir werden ihnen das Genick brechen wie bei einem Entenküken", war bitterernst gemeint. Eine Verhaftungswelle nach dem Abzug der ausländischen Journalisten ist nicht auszuschließen. Doch die Mehrheit der Weißrussen lebt in irgendeiner Weise vom Staat - als Beamte, Angestellte in Staatsbetrieben oder Rentner. Sie sind Lukaschenkos Stütze, denn ihr "Batka" (Väterchen) zahlt wenig, aber regelmäßig. Brot, Milch oder Energie werden wie zu Sowjetzeiten subventioniert - und sie sind nun sogar immer verfügbar. Daß das vor allem auch ein "Wirtschaftswunder" von Moskauer Gnaden ist, steht auf einem anderen Blatt.


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