© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/06 24. März 2006

CD: Metal
Symbiose
Thorsten Thaler

Die Moderne war gestern, jetzt geht es zurück in die Zukunft. Jedenfalls gilt das allem Anschein nach für die in Sushi- und Prosecco-Kreisen verpönte Welt des Heavy Metal, deren Protagonisten sich damit - sofern die Zeichen nicht trügen - sichtlich als seismographische Avantgarde erweisen in einer Gesellschaft, die nicht mehr Gemeinschaft sein will und erst wieder lernen muß, von den Alten zu lernen.

Für diese These spricht unter anderem, daß immer mehr junge Metalbands sich respektvoll eines Mannes erinnern, der - 1942 in Portsmouth, New Hampshire, geboren - demnächst das Rentenalter erreicht: Ronald James Padavona. Besser bekannt unter dem Künstlernamen Dio (ital. für Gott), Ronnie James Dio, genießt der legendäre Sänger von legendären Gruppen wie Rainbow und Black Sabbath sowie seiner eigenen Band Dio (seit 1982) in der Metal-Szene Kultstatus. Damit nicht genug, inzwischen klingen neue frische Schwermetall-Formationen auch wie Sabbath oder Rainbow - und ihre Frontleute wie Dio. Beste Beispiele hierfür sind das Debütalbum "Uncrea-tion" der US-Metaller von Benedictum (JF 7/06) und, mehr noch, die an diesem Freitag erscheinende CD "Astralism" der schwedischen Band Astral Doors.

Von Gitarrist Joachim Nordlund und Drummer Johan Lindstedt 2002 aus der Taufe gehoben, ist "Astralism" (Locomotive Music/Soulfood) bereits das dritte Album der fleißigen Nordmänner. Schon mit ihrem Debüt "Of The Son And The Father" (2003) ließen sie aufhorchen. Kritiker und Konsumenten zeigten sich angetan, erste Festivalanfragen folgten. 2004 absolvierten Astral Doors unter anderem Live-Auftritte beim Wacken Open Air und dem Sweden Rock Festival.

Mit ihrem zweiten Silberling, dem düster-atmosphärischen "Evil Is Forever", 2005 erschienen, festigten die Jungs ihren Ruf als metallische Traditionalisten. Und noch im Herbst desselben Jahres veröffentlichten Astral Doors die EP "Raiders Of The Ark", dessen gleichnamiges Titelstück einen Vorgeschmack auf das jetzt vorgelegte Album "Astralism" lieferte.

Der erste Durchlauf im CD-Spieler freilich irritiert. Sind Rainbow wiederauferstanden? Hat Ronnie James Dio etwa die Band gewechselt? Mitnichten. Sänger Nils Patrik Johansson klingt nur verblüffend ähnlich wie der Altmeister. Wer jedoch meint, Astral Doors folgten mit ihrem Stilmix aus Rainbow und Dio, gewürzt mit einer Prise Black Sabbath, nur einem Retro-Trend, wird sich alsbald korrigieren müssen. Die dreizehn Songs auf "Astralism" weisen in ihrer Symbiose aus Rock'n'Roll, Hardrock und Power Metal durchaus Eigenständigkeit auf. Mehr noch, ihr glutvoller Charakter hebt sie aus dem Tal der Vergänglichkeit empor auf jene lichte Höhen des Gegenwärtigen, von denen aus der Silberstreifen am Horizont des Künftigen früher als andernorts zu sehen ist. Zwar fehlt der eine Überflieger-Song, der dem Opus die Krone aufsetzen würde. Dennoch ist "Astralism" völlig zu Recht von der Musikzeitschrift Rock Hard im April zum "Album des Monats" gekürt worden.

Titel wie "Tears From A Titan", "Raiders Of The Ark", "In Rock We Trust" oder "Vendetta" sind wegweisend für ein Genre, das so manches Mal in seiner Neigung zu experimenteller Verkopftheit und allerlei Budenzauber - man höre nur die ebenfalls brandaktuelle, stark gewöhnungsbedürftige Single "Fly" von Blind Guardian - das Elementare aus dem Auge zu verlieren droht: die prasselnden Feuer des Herzens.

Für September/Oktober sind Astral Doors als Gäste auf der Tour von Blind Guardian angekündigt, unter anderem mit Auftritten in München, Stuttgart, Hannover, Düsseldorf, Trier und Hamburg. Weitere Informationen im Internet unter www.locomotiverecords.com


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen