© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/06 31. März 2006

Terrorismus als größte Herausforderung
Nordrhein-Westfalen: Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2005 vorgestellt / Behörde erwähnt Erfolg der JUNGE FREIHEIT vor dem Bundesverfassungsgericht
Tobias Westphal

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2005 ist in der vergangenen Woche dem nordrhein-westfälischen Landtag übergeben worden. Der Bericht umfaßt wie üblich Hinweise zu den beobachteten Aktivitäten des Rechts-, Links- sowie Ausländerextremismus und Islamismus in dem bevölkerungsreichsten Bundesland.

Laut Innenminister Ingo Wolf (FDP) sei die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus mittlerweile die größte Herausforderung für den Verfassungsschutz. Man habe es mit einem neuen Typ von Attentätern zu tun. Es handele sich dabei um "Jihadisten", heilige Krieger, die aus der eigenen Gesellschaft hervorgegangen seien. Über die Hintergründe der Entwicklung zu diesen sogenannten "home-grown terrorists" wisse man jedoch noch wenig.

Ein Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes sei die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Vorrangig auf Wahlteilnahme und Parlamentssitze ausgerichtet seien die Republikaner und die DVU. Wesentliche andere Aktivitäten dieser Parteien ließen sich nicht feststellen. Im Gegensatz dazu forciere die NPD das Thema Nachwuchswerbung bei Jugendlichen. Die Zahl der Mitglieder der Partei in NRW ist dem Bericht zufolge von ihrem Tiefstand im Jahr 2002 mit 500 Mitgliedern auf inzwischen 750 Mitglieder angestiegen.

Besorgniserregend sei dabei der Mitgliederzuwachs bei jüngeren Personen. Stolz ist Innenminister Wolf deswegen auf den Erfolg des Bildungscomic "Andi". Wegen der großen Nachfrage hat der Verfassungsschutz nochmals 100.000 Stück der bunten Hefte drucken lassen. "Jugendliche wollen mehr über das Thema Rechtsextremismus wissen. Deshalb sind unsere Verfassungsschützer an den Schulen in NRW gern und oft gesehen", sagte der Innenminister.

Anstieg der politisch motivierten Kriminalität

Auf dem Gebiet des Linksextremismus sinke das Aktionsniveau der sogenannten "Autonomen Linken". Die linksextremistischen Parteien Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD) und Deutsche Kommunistische Partei (DKP) verhielten sich derzeit passiv. Mit Blick auf die Linkspartei verwies Wolf darauf, daß die ehemalige PDS entschiedene Inhalte ihrer Programmatik, die das geltende demokratische System überwinden wolle, in das gemeinsame Parteiprojekt mit der WASG eingebracht habe.

"Sollten sich die Linkspartei.PDS und die WASG auf eine überzeugende Fusionslösung einigen können, würde dies die Verhältnisse im linken und im linksextremistischen Spektrum der Bundesrepublik auf Jahre grundlegend und tiefgreifend verändern", heißt es dazu im Verfassungsschutzbericht.

Die politisch motivierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen stieg 2005 im Vergleich zum Vorjahr um 15,7 Prozent (468 Fälle) auf 3.456 Straftaten. Vor allem sei die Zahl der sogenannten Propagandadelikte, also Hakenkreuz-Schmierereien und rechtsextremistische Parolen gestiegen. Jedoch seien mehr als die Hälfte der Propagandadelikte von Tätern begangen werden, die keinen rechtsextremistischen Hintergrund haben.

Auch die Zahl der politisch motivierten Straftaten von Linksextremisten ist in diesem Jahr erstmals wieder deutlich angestiegen. Dazu gehören vor allem Sachbeschädigungen, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und Landfriedensbruch. Fast 80 Prozent aller Gewalttaten von Linksextremisten erfolgten 2005 im Zusammenhang mit Demonstrationen des rechtsextremistischen Spektrums.

Im Jahr eins nach dem aufsehenerregenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Erwähnung der JUNGE FREIHEIT im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht (JF 27/05) geht die Behörde auch auf den Erfolg der JF vor dem Gericht ein: "Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 24. Mai 2005 über die Verfassungsbeschwerde der 'Jungen Freiheit' gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1994 und 1995 und die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und des Oberverwaltungsgerichts Münster entschieden", heißt es nüchtern über die eigene Niederlage vor dem höchsten deutschen Gericht.

Noch an anderer Stelle geht der Verfassungsschutz in seinem aktuellen Bericht auf den Beschluß ein. Im Punkt "Rechtsextremismus" und dem Unterpunkt "Die 'Neue Rechte' als intellektuelle Strömung innerhalb des Rechtsextremismus" berichtet die Behörde aus ihrer Sicht über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Nachdem die Verwaltungsgerichte die Klage abgewiesen hatten, verwies das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde der JF hin das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurück, ohne die Berichterstattung in den Jahren 1994 und 1995 unmittelbar zu beanstanden. Das Verfahren ist derzeit beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht anhängig."

Auf weitere Ausführungen zur JUNGE FREIHEIT verzichtet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbericht (siehe auch den Kommentar auf Seite 2).

Der Bericht im Internet: www.im.nrw.de/sch/doks/vs/verfassungsschutzbericht_2005.pdf

Foto: NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP), Anti-Rechts-Comic "Andi": Große Nachfrage unter Jugendlichen


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