© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Religiös gemäßigte Zone
Kirche: Der EKD-Vorsitzende und die Wiederkehr des Glaubens
Marcus Schmidt

Seitdem vor einem Jahr unter großer Anteilnahme der Grundstein für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche gelegt wurde (JF 17/05), ist es recht still geworden um das ambitionierte Vorhaben. Die Stimmen derjenigen wollen nicht verstummen, die zu wissen glauben, daß aus dem schönen Traum nie etwas werden wird.

Der Berliner Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, der im April vergangenen Jahres den Gottesdienst für die Grundsteinlegung gehalten hatte, hat diese Stimmen zu den anhaltenden Schwierigkeiten beim Wiederaufbau der Kirche aufgegriffen. Auf Einladung der Preußischen Gesellschaft versuchte Huber im Berliner Hilton-Hotel bei der Beantwortung der ihm aufgetragenen Frage "Was uns heute in Deutschland fehlt. Die Säkularisierung und die Zukunft des Glaubens", dem Geist nachzuspüren, der - abseits aller finanzieller Fragen - erforderlich sei, um ein Vorhaben wie den Potsdamer Kirchenbau zu bewältigen.

Huber kennzeichnete die Situation des Glaubens in Deutschland mit dem Begriff der "religiös gemäßigten Zone", in der sich der Glaube "verdünnt" habe. Doch er sieht die Zeit der Umkehr näherrücken. "Wir wachen auf", lautete seine optimistisch gehaltene Einschätzung, die er mit der immer dichter werdenden Folge von Diskussionen um entscheidende Fragen des Lebens wie Familie, Kinder und Generationen begründete. Es sei wichtig, darüber nachzudenken, wie dieser Mentalitätswandel gestaltet werden könne und ob daraus eine Rückkehr des Glaubens folgen werde. Gleichzeitig versuchte er die Frage zu beantworten, ob die weit fortgeschrittene Säkularisierung dem nicht entgegenstehe. Die Säkularisierung, die "Entchristlichung", trennt er dabei deutlich von der Säkularisierung der Verfassungsordnung, einer Errungenschaft "von der kein nachdenkender Mensch lassen will". Und die etwa gegen den Islamismus verteidigt werden müsse.

Anders verhalte es sich aber mit der Säkularisierung der Gesellschaft. Es sei falsch und unbegründet, diese als unabänderlich zu betrachten, sagte Huber und verwies auf entsprechende Gegenbewegungen der "Desäkularisierung" etwa in den USA. Bei der Säkularisierung handele es sich nicht um ein Naturgesetz.

So hoffnungsvoll sich sein Ausblick auf die Rückkehr des Glaubens ausnahm, so skeptisch klangen die Überlegungen, inwieweit die evangelischen Kirche von dieser Renaissance profitieren werde. Der Bischof nahm die eigene Kirche nicht von Kritik aus: "In der Tat hat es in der Kirche eine Tendenz gegeben, der säkularisierten Gesellschaft zu folgen", sagte Huber. Dieses habe zu einer Art Selbstsäkularisierung geführt. Dennoch zeigte sich der EKD-Vorsitzende optimistisch: Er verwies darauf, daß mehr Fernsehzuschauer die Wiedereinweihung der evangelischen Frauenkirche in Dresden verfolgt hätten als den Gottesdienst des katholischen Weltjugendtages in Köln. Dies war ein deutlicher Hinweis darauf, daß es Huber nicht für völlig ausgeschlossen hält, daß die Garnisonkirche einst tatsächlich gebaut wird.

Foto: Bischof Huber: Optimistisch


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