© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/06 07. April 2006

Frisch gepresst

Religion. Wie einfach war doch die Vermittlung religiösen Wissens und religiöser Werte in vergangenen Jahrhunderten, als man primär auf Bibel und Katechismus zurückgreifen konnte. Wenigstens war diese basisorientierte Religionserziehung damals unverfälschter als heute, wo - glaubt man der Klage Steffen Köhler - viele Bücher für den katholischen Religionsunterricht von inhaltlichen Fehlern und ideologischen Tendenzen nur so strotzen. Damit sind die Bücher nur der Gradmesser für die Defizite, die ein alles Sakralen beraubter Religionsunterricht offenbart: Institutionen und kirchliche Regeln sollen immer mehr "hinterfragt" werden - außer natürlich, es handelt sich um "bereichernde" Kultureinflüsse auf die hiesige Liturgie wie Trommeln, Lotussitz, Tanzen zur Messe. Besonders ist Köhler auch "die Tyrannei des Bastelns und Kreierens" ein Graus, mit der sich "moderne und provokante" Christen in "Gottesdienste einbringen" und letztlich nicht nur für immer schrecklichere ästhetische Entgleisungen sorgen (Makramee an Riemenschneider), sondern auch alle Liturgie töten. An den dadurch entstehenden Defiziten macht Köhler schließlich auch die immer weiter um sich greifende Entkirchlichung unserer Zeit fest (Religion ohne Unterricht. J. H. Röll Verlag, Dettelbach 2005, 133 Seiten, broschiert, 17,80 Euro).

Kolonialgeschichte. Entgegen vielen Spuren in den früheren Kolonialgebieten wie der Altstadt in Tschingtao, dem Phosphattagebau auf Palau oder den zahlreichen Hinweisen in Afrika, wo besonders in Namibia heute noch Nachfahren deutscher Kolonialzeit leben, findet man hierzulande kaum noch Andenken an die deutschen "Plätze an der Sonne". Roger Kunert hat dies zum Anlaß genommen, nach jahrelanger Recherche Gedenktafeln, Gebäude oder Gräber zwischen Ansbach und Witzenhausen aufzusuchen, die er nun in einer einmaligen Zusammenstellung dokumentiert. Das bis vor kurzem in Hamburg als "Performance" drapierte Denkmal des Afrikaforschers und Kolonialpolitikers Hermann von Wissmann bleibt dabei unerwähnt. Obwohl Kunert eine beträchtliche Spurensammlung nachweist, muß die marginale Präsenz kolonialgeschichtlicher Hinweise auf diese immerhin dreieinhalb Jahrzehnte währende Epoche zwischen 1884 und 1919 in der "Erinnerungslandschaft" des heutigen Deutschland doch erstaunen (Kolonialgeschichtliche Stätten in Deutschland. Pro Business Verlag, Berlin 2006, 156 Seiten, Abbildungen, broschiert, 11,95 Euro).


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