© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/06 14. April 2006

Die Woche
Zwei ungleiche Modelle
Fritz Schenk

Große Koalitionen zwischen Union und SPD auf Bundesebene hat es in der nun schon fast sechzigjährigen Regierungsgeschichte Nachkriegsdeutschlands erst zwei gegeben. Die erste regierte drei Jahre, die zweite hat erst ein halbes hinter sich. In beiden Fällen aber herrscht die weitverbreitete Meinung, es habe zum jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens keine anderen Möglichkeiten gegeben - und sie seien zudem in der jeweils herrschenden staatspolitischen Situation die beste Lösung gewesen. Bei genauer Betrachtung trifft das nicht zu.

Das erste Bündnis aus Schwarz-Rot in Deutschland entsprang keiner gesamtstaatlichen Notlage. Die insgesamt gute Konjunktur hatte sich zwar abgeflacht, lag aber mit fast drei Prozent Wachstum auf einer Höhe, über die wir heute schon jubeln würden. Die Staatskassen waren voll, die Sozialkassen hatten Überschüsse. Die Union hatte mit Bundeskanzler Ludwig Erhard und der FDP eine stabile Regierung und die SPD keine Chance, diese durch ein konstruktives Mißtrauensvotum stürzen zu können. Es war die Union selber, die ihren Kanzler demontierte und der FDP den Laufpaß gab. Vor allem ihr schon damals starker linker Flügel glaubte, man könne die SPD nicht auf ewig von den zentralen Futterkrippen fernhalten und müsse sie für die verfassungsändernden Notstandsbeschlüsse mit der Regierungsbeteiligung ködern.

So kam es, und unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) fand sich eine Regierung, die genüßlich aus dem vollen schöpfte. "Die Pferde müssen wieder saufen", war die Signalfloskel des SPD-Wirtschaftsministers Karl Schiller, und sein partnerschaftlicher Finanzminister Franz Josef Strauß (CSU) öffnete ihm willig die vollen Kassen. Sie harmonierten so gut, daß ihnen die Presse mit wohlwollendem Unterton den Titel "Plüsch und Plum" anheftete. Gemeinsam widerstand das Bündnis den Attacken der Ultralinken gegen die vermeintliche "Notstandsdiktatur", die SPD faßte sogar einen "Abgrenzungsbeschluß" gegenüber Kommunisten, und "Zuchtmeister" Herbert Wehner kanzelte alle ab, die gegen ihren schwarzen Partner stänkerten. Nach drei Jahren entpuppte sich die Liebe als eiskalt berechnete Liaison, nun wurde Kiesinger in die Wüste geschickt, und die FDP revanchierte sich mit ihrer zwölfjährigen Anbindung an die SPD.

Dagegen ist die Partnerschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering tatsächlich eine Zwangsehe. Vor allem aber zog das Paar ohne Aussteuer in die gemeinsame Wohnung, schlimmer: mit dem Buckel voller Schulden. Daher auch die ständigen Beschwörungsformeln aus beiden Lagern, wenn diese Mammut-Koalition nicht auch die Mammut-Aufgaben löst, die sich in Deutschland inzwischen aufgetürmt haben, droht der Nation tatsächlich Schlimmstes.

Doch hierbei zeigt sich der große Unterschied gegenüber 1966. Im großzügigen Ausgeben und dem Verteilen von Geschenken kommen auch unterschiedliche Partner schnell zum Schmusen. Ob sie wirklich zueinander passen und auch zueinander halten, zeigt sich erst in der Krise. Und nur in ihr zeigt sich auch, ob und welche Rezepte sie haben, um über Krisen hinwegzukommen. Da halt setzen die Zweifel ein. Zu oberflächlich war der Ehevertrag ausgehandelt worden, zu deutlich spricht aus ihm die Erkenntnis, daß man im Grunde ja auch gar nicht zueinander paßt. Ob das vier Jahre hält, bleibt fraglich.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen