© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/06 14. April 2006

UMWELT
Kein Grund zum Jubeln
Alexander Barti

Steigt oder sinkt der Stromverbrauch in Deutschland? Die Zunahme des Stromverbrauchs ist seit 1950 gerechnet absolut und auch im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt (BSP) rückläufig, also steigt er in sinkendem Maße. In Zahlen, die der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) via Internet veröffentlicht, heißt das: In dem Jahrzehnt von 1950 bis 1960 stieg das BSP um 8,2 Prozent, der Stromverbrauch um zehn Prozent. Von 1960 bis 1970 stieg das BSP um 4,4 Prozent, der Stromverbrauch um 7,4 Prozent; 1970 bis 1980 nahm das BSP um 2,3 Prozent zu, der Stromverbrauch um 1,8 Prozent. Hier war erstmals der Stromverbrauch weniger intensiv expandiert als das Wirtschaftswachstum. 1991 bis 2005 hielt dieser Trend (nun allerdings das gesamte wiedervereinte Deutschland umfassend) weiter an: Einer Zunahme des BSP um 1,3 Prozent steht ein höherer Strombedarf von lediglich 0,9 Prozent gegenüber.

Damit sind Wirtschaftswachstum und Stromverbrauch noch nicht entkoppelt, wie seitens der Energiewirtschaft verheißungsvoll behauptet wird, sondern der Korrelationswert nimmt nur ab. Woran das liegt, darauf gibt der Elektrizitätsverband eine glaubhafte Auskunft: Einmal wurden neue Technologien effizienter. Dann spielt auch der Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft eine Rolle. Die "Basar-Ökonomie" (Hans-Werner Sinn, JF 43/05) hat also auch ihre guten Seiten für die Energieeinsparung in Deutschland. Aber in einer Gesamtrechnung kann das noch immer heißen, daß so manche energieintensive Produktivität nur ins Ausland verlagert wird, wo dann weniger effizient Energie verbraucht wird. Kein Grund also, gleich in Jubel auszubrechen. Erst das Ganze ist die Wahrheit.


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