© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/06 21. April 2006

Basti, ein Arbeitsloser als WM-Botschafter: Was tust Du dafür, daß wir Weltmeister werden?
Ein Glaube geht auf Reisen
Frank Liebermann

Die deutschen Fußballfunktionäre kommen aus dem Schwärmen nicht heraus. Tolle Spiele und Spannung ohne Ende sollen uns bei der Fußball-Weltmeisterschaft erwarten. Das meint zumindest Jürgen Klinsmann. Da fehlt nur noch die Schokolade, mag sich der ein oder andere denken, schon hat man das Überraschungsei.

Der Jubel scheint kein Ende zu nehmen. Während sich kleine Konditoren, Metzger und Wimpelverkäufer mit drohenden Abmahnungen herumschlagen, weil sie den Begriff WM ohne Lizenz der FIFA verwenden wollen, frohlockt Angela Merkel, daß "der Funke der Begeisterung und Völkerverständigung überspringen" werde. Und tatsächlich. Bei manchen Menschen ist nicht nur ein Funke übergesprungen, die brennen schon eher wie Napalm.

Als arbeitsloser Koch den "coolsten Job der Welt"

Da ist zum Beispiel Sebastian Schweppe, von seinen Freunden und den Medien auch "Basti" genannt. 28 Jahre ist der Hamburger alt, der seit dem 1. November 2005 durch Deutschland tourt, genauer: trampt. Am 9. Juli 2006, so die Botschaft von Basti, sind wir Fußball-Weltmeister. Wie soll Deutschland das schaffen? Ganz einfach: "Wenn du immer nur zu hören bekommst, du überstehst nicht einmal die Vorrunde, dann schaffst du auch nicht mehr! Deshalb muß ganz Deutschland glauben, daß wir Weltmeister werden - dann schaffen wir das auch!"

Der arbeitslose Koch ist grenzenloser Optimist, wie er im Frühstücksfernsehen von Sat.1 zum Besten gab. Sein Ziel: Mobilisierung der Bevölkerung bis zur WM. Wie? Indem er zu allen Standorten wandert. Nach eigenen Angaben hat er den "coolsten Job der Welt". Kein Wunder. Nachdem er im Fernsehen war und zahlreiche Zeitungen über ihn berichteten, ist er inzwischen schon selbst ein Star. Pelé hat ihm in Leipzig die Hand geschüttelt, und den Klinsmann will Basti auch noch treffen.

Er, der fest an den Sieg der Deutschen glaubt, will auch das Image von Deutschland ändern. "Wir haben dieses Jahr mit der WM die einmalige Möglichkeit, der Welt zu zeigen, daß wir nicht nur Sauerkraut und Bratwurst sind, sondern weltmeisterlich gut.", weiß Basti auf seiner Netzseite www.ichglaubdran.de. Wenn Basti irgendwo ein Internetcafé entdeckt, sendet er seine Erlebnisse per E-Post an Freunde in der Heimat, die diese auf die Netzseite stellen.

Nachdem der gelernte Koch arbeitslos wurde, hatte er beschlossen, sich zu seiner Reise aufzumachen. Fünftausend Kilometer will er quer durch das Land wandern und alle WM- Stadien besichtigen. Das erste Paar Schuhe hat er schon verschlissen. Das wird auf seiner Tour durch die 12 Stadien sicher nicht das letzte sein. Schließlich möchte er die Strecke zum größten Teil zu Fuß zurücklegen.

Seine Reise finanziert er sich ganz einfach. Mit dem Sammeln von alten Flaschen hat er schnell einmal 1.50 Euro zusammen. Davon kann er sich genug zu essen kaufen, und ein Glas Wasser gibt es fast überall umsonst. Oft laden ihn Leute ein, die ihn auf seiner Wanderschaft kennengelernt haben. Findet er mal keine Unterkunft, schläft er ganz einfach in seinem Zelt.

Bescheiden und berühmt - fast wie die Grup Tekkan

Wenn alle Arbeitslosen so bescheiden wären, müßten wir uns um unser Sozialsystem keine Sorgen machen. Wobei er sich vermutlich eh keine allzu großen Sorgen machen muß. Nach seinen Auftritten im Fernsehen und zahlreichen anderen Medienberichten ist er inzwischen fast so eine Berühmtheit wie Grup Tekkan.

Basti, der mit einer lustigen roten Mütze auf dem Kopf reist, hat bei seinen ungezählten Begegnungen und Gesprächen schon allerhand erfahren und erlebt. Vor allem, daß die Deutschen Gemeinsamkeiten haben. Sie wollen wieder gute Nachrichten. Sie wollen wieder auf Platz eins stehen. Sie wollen Gemeinsinn. Alles Gute wird durch den allgemeinen Pessimismus zerredet.

Dagegen kämpft Basti an. Mit Fragen rüttelt er uns auf: "Ich frage DICH, was tust DU dafür, daß wir Weltmeister werden? Wie unterstützt DU Deutschland und unsere Jungs? Glaubst DU an die Nationalmannschaft und den Titel? Wollen wir den Jungs, die für uns auf dem Platz stehen, Kraft geben oder ihnen welche entziehen?" Ja, Basti ist so einer, der etwas unternimmt und nicht nur jammert. Da macht es auch nichts, daß ihn Klinsi noch nicht empfangen hat. Bei soviel Popularität kann das ja noch werden.

Seine Aktion durfte Basti unlängst vor dem Spiel gegen die USA im Stadion vorstellen. Dort erzählte er von seinem Konzept. Hinterher hat Deutschland 4:1 gewonnen. Vielleicht hilft es ja wirklich!

Foto: Basti im Selbstversuch als deutscher Adler: Wanderung durch Deutschland soll Siegesgewißheit stärken


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen