© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Riskanter Erlaß
von Jörg Fischer

In Bolivien wird der gesamte Erdgassektor per Präsidentenerlaß staatlicher Kontrolle unterstellt. "Das Plündern durch die ausländischen Unternehmen ist beendet", und das sei "nur der Anfang", verkündigte Evo Morales am 1. Mai in La Paz. "Morgen oder übermorgen wird es die Bergbau- und dann die Holzindustrie sein und irgendwann alle natürlichen Ressourcen", so der Linkssozialist. Alle ausländischen Erdgasfirmen müssen nun innerhalb von 180 Tagen neue Förderverträge unterzeichnen, die sie zu Anlagenbetreibern herabstufen - ansonsten droht die Ausweisung. Damit hat Morales zwar eines seiner Wahlversprechen erfüllt - ob er es aber auch schafft, den Lebensstandard im Armenhaus Lateinamerikas zu heben, ist nicht nur angesichts von Mißwirtschaft und Korruption zweifelhaft.

Denn mit den Verstaatlichungsplänen legt sich Morales nicht nur mit den USA an. Die größten Investoren sind EU-Konzerne wie Total oder BP. Auch die brasilianische Petrobras und die spanisch-argentinische Repsol-YPF sind betroffen. Der linke brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva berief sogar eine Krisensitzung ein. So bleiben als Morales-Verbündete wohl nur Hugo Chávez und Fidel Castro, mit denen er am Samstag einen Handelsvertrag geschlossen hat. Doch Venezuela und Kuba werden ihrem Tausende Kilometer entfernten indianischen Partner, der über die zweitgrößten Erdgasvorkommen Südamerikas verfügt, kaum zu Hilfe kommen können - und Regierungswechsel ohne Wahlen sind in der Region nichts Ungewöhnliches.


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