© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

DVD: Praunheim
Schwul & rechts
Martin Lichtmesz

Schwere Zeiten für einstige Berufsprovokateure wie den inzwischen auch schon 63jährigen Rosa von Praunheim. Seit seinem berühmten Skandalfilm "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971) ist das Thema Homosexualität nicht nur enttabuisiert, sondern auch noch in den sakrosankten Kanon der siegreichen Political Correctness erhoben worden. Alle Zitadellen sind gestürmt, alle Schocks verpufft, Porno und trashiges Personal salonfähig und langweilig geworden. Praunheims letzter Spielfilm, die Magnus-Hirschfeld-Biographie "Der Einstein des Sex" (1999), ist ungefähr so harmlos und betulich wie ein sozialdemokratischer Parteitag. All die Skandale, um letzten Endes bei Klaus Wowereit zu landen? Ein wahrhaft deprimierender Gedanke.

In seinem jüngsten Dokumentarfilm "Männer, Helden, schwule Nazis", der nun im Verlag absolut Medien auf DVD erschienen ist, wendet sich Praunheim dem Milieu zu, in das Tabuisierung, Diffamierung und soziale Ausgrenzung inzwischen abgewandert sind: der rechten bzw. rechtsradikalen Szene. Es genügt schließlich heutzutage schon, ein durchschnittlicher Konservativer zu sein, um festzustellen, daß nicht der Rechte pervers ist, "sondern die Situation, in der er lebt".

Tabus machen jedoch sexy, und Praunheim geht in seinem Film den widersprüchlichen Verbindungen zwischen Rechtsradikalismus und hypermaskuliner (im Gegensatz zu tuntiger) Homosexualität nach, die schon seit Hans Blühers Zeiten zur problematischen Geheimgeschichte der Rechten gehören. Verbindend ist dabei mindestens der Wunsch, die moderne Krise der Männlichkeit zu überwinden.

Im Mittelpunkt des Films stehen Interviews mit vier schwulen Männern aus dem rechten Narrensaum, die offen über ihre politischen Überzeugungen, erotischen Präferenzen und deren etwaigen Zusammenhang sprechen: der "klassische Oi-Skin" André, der sich als "rechts", aber nicht nazistisch bezeichnet, der für eine ungenannte Partei arbeitende, dandyeske Alexander, der die PDS verließ, weil sie die nationale Grundierung der SED aufgegeben hat, der ehemalige Vorzeige-Neonazi Bernd Ewald Althans, der inzwischen schwule Parties organisiert, sowie der bekannte Szeneausteiger und heutige Antifa-Aktivist Jörg Fischer.

Ergänzend kommen Historiker, Journalisten und Uniformfetischisten zu Wort. Außerdem werden die Lebensläufe von prominenten homosexuellen Nazis wie SA-Führer Ernst Röhm und Michael Kühnen, der 1991 an AIDS starb, mit interessantem Archivmaterial rekapituliert.

Endlich wieder ein gelungener Tabubruch? Praunheims Bereitschaft, sich auf seine Gesprächspartner offen einzulassen, ohne ständig den politisch korrekten Zeigefinger zu erheben, ist jedenfalls verblüffend. "Männer, Helden, schwule Nazis" ist ein gut recherchierter und spannender Dokumentarfilm, der mit haufenweise skurrilen bis haarsträubenden Details aufwartet. Das Bonusmaterial der DVD enthält drei sehenswerte, zum Teil überraschende Interviews mit schwulen Männern über ihre Lebens-umstände im Dritten Reich.

Foto: DVD, Rosa von Praunheim


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