© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/06 05. Mai 2006

Katholische Literatur
Mosebachs Reflektionen
Georg Alois Oblinger

Martin Mosebach hat einen Essayband mit dem Titel "Schöne Literatur" vorgelegt. In zwanzig Artikeln befaßt sich Mosebach mit verschiedenen Themen und Fragen zur europäischen Literatur. Der einzige bislang unveröffentlichte Essay trägt den Titel: "Was ist katholische Literatur?"

Für Martin Mosebach, 1951 in Frankfurt am Main geborener Erfolgsschriftsteller und Kleistpreisträger, ist der Begriff "katholische Literatur" durchaus problematisch. Er impliziert bereits, daß es auch andere Literatur geben muß, von der man sich abgrenzen will. Der Begriff tauchte daher erst im zwanzigsten Jahrhundert auf, als die katholische Kirche in einigen Ländern schon längst die Kulturhoheit verloren hatte, in anderen auf dem Weg dahin war. Von Frankreich ausgehend hat sich damals im Zuge der "renouveau catholique" eine katholische Defensivbewegung gebildet, die schließlich ganz Europa erfaßte.

Doch die eigentlich katholische Literatur ist für Mosebach jene Literatur, die einem katholischen Milieu entspringt - ganz gleich, ob der Autor selbst gläubig ist oder nicht. Jahrhundertelang war die katholische Kirche "der Humus, aus dem alles Denken und Dichten gleichsam naturhaft herauswuchs". In dieser Zeit entstanden "Bücher, die aus dem Bauch des Katholizismus geboren sind und nicht aus dem Kopf". Als Beispiele firmieren Nicolás Gomez Dávila, Heimito von Doderer, Rudolf Borchardt und Peter Hack.

Da der Romanschriftsteller die Wirklichkeit abbilden muß und nicht eine Wunschvorstellung, ist es nach Mosebachs Meinung heute gar nicht mehr möglich, einen katholischen Roman zu schreiben. So lehnt er für sich selbst die Bezeichnung "katholischer Schriftsteller" ab. Wenn er auch gelegentlich auf katholische Traditionen anspielt und dadurch zeigt, daß er sich selbst in dieser Welt zu Hause fühlt, so sind seine Romanfiguren doch zumeist religiös indifferent. Bei seinem Streifzug kommt Mosebach auch ganz ungezwungen auf typisch katholische Themen zu sprechen, so auf die Symbolik der Geschlechter, auf den Sinn der Sakralsprache oder auf den Bücherindex.

Martin Mosebach: Schöne Literatur, Essays. Carl Hanser Verlag, München 2006, gebunden, 236 Seiten, 19,90 Euro


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