© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

DDR-Kontinuitäten
von Matthias Bäkermann

Der Generalsekretär des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Hans Rentmeister, hat seinen Rücktritt angeboten. Er war viele Jahre Offizier der DDR-Staatssicherheit, und das auch noch in unappetitlichster Funktion: in der "Sektion Spezialdisziplinen" lehrte er Überwachungs-, Zersetzungs- und Verhörtechniken. "Schweren Herzens und mit Bedauern" nahm dann auch Komiteepräsident Pierre Gouffault dieses Rücktrittsangebot zur Kenntnis.

Das Bedauern gilt, das ist mittlerweile wohl klar, nicht der Stasi-Vergangenheit des 66jährigen. Die war im Opferverband lange bekannt. Der Vorstand hat 2001 sogar Bedenken Rentmeisters, er müsse "angesichts seiner Biographie Hetzkampagnen befürchten", in den Wind geschlagen. Nur zu gut wußte man, daß Rentmeister in dem Amt nicht nur die Interessen der hochbetagten NS-Opfer kämpferisch vertritt, sondern gleichzeitig in bester "antifaschistischer" Manier die Deutungshoheit über totalitäre Verbrechen eifersüchtig zu verteidigen weiß. Gerade vor drei Wochen hat Rentmeister dies unter dem Applaus vieler deutscher Politiker und Medien im Konzentrationslager Sachsenhausen bewiesen, als er Brandenburgs Innenminister Schönbohm wegen dessen vermeintlicher "Gleichsetzung" von NS- und kommunistischen Opfern geradezu hysterisch angriff. "Der Falsche hat das Richtige gesagt", kommentierte folglich die taz. Schließlich ist die "antifaschistische" DDR-Lesart der Geschichte heute auch in der BRD salonfähig geworden. Und das ist der weitaus größere Skandal.


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