© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Leitbild bleibt die berufstätige Frau
Elterngeld: Die traditionelle Ehe ist der Politik eine Gleichbehandlung mit der Doppelverdiener-Ehe nicht wert
Klaus Peter Krause

Nun also ein "Elterngeld". Es soll das bisherige "Erziehungsgeld" ablösen. Wenn es so kommt wie von der Großen Koalition beschlossen, zahlt es der Staat von Januar 2007 an. Und womit? Aus Steuergeldern, die er gerade auch jenen abknöpft, die er mit dem Elterngeld begünstigen will. Mit dem Kürzen bisheriger Erleichterungen belastet er sie zusätzlich: Baukindergeld, Kilometerpauschale, verkürzte Kindergeldzeit. 2007 kommt die höhere Mehrwertsteuer noch hinzu. Erst nimmt die politische Klasse (als Staat) den Menschen das Geld ab, dann gibt sie es ihnen in kleinerer Münze gönnerhaft zurück. Sie untergräbt so deren Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen, zwingt sie in die Abhängigkeit.

Zwei-Klassen-Gesellschaft beim geplanten Elterngeld

Konzentriert ist das neue Almosen auf legal berufstätige Eltern (Doppelverdiener), die ein Kind bekommen haben. Verzichtet ein Elternteil auf seine Erwerbstätigkeit und nimmt "Erziehungsurlaub", erhält er als Teilausgleich 67 Prozent seines bisherigen Nettogehalts als Elterngeld, höchstens aber monatlich 1.800 Euro für zwölf Monate.

Im Regelfall wird der verzichtende Elternteil die Mutter sein. Die Zahlung wird um zwei Monate verlängert, wenn in dieser Zeit der andere Elternteil auf den Broterwerb verzichtet und seinerseits das Kind betreut. Das ist im Regelfall der Vater und gedacht als "Anreiz zum Miterziehen". Hier aber ist, weil der Vater meist mehr verdient als die Mutter, der monatliche Verdienstausfall größer. Ob sich die Familie das leisten kann, ist offen.

Offenbar ärgerlich für CDU und SPD gibt es immer noch die traditionelle Familie: Vater schafft an, Mutter ist Hausfrau und für die Kinder da, sorgt für Nestwärme. Teils geht es auch umgekehrt: Mutter erwerbstätig, Vater Hausmann. In beiden Fällen gibt es monatlich nur 300 Euro Elterngeld ("einkommensunabhängiger Sockelbetrag").

Warum wird diese Kinderbetreuung nicht wenigstens gleichrangig honoriert? Ehen mit Müttern, die nicht berufstätig sind, gelten damit als Ehen zweiter Klasse. So wird dieser Staat nie hinbekommen, was er anzustreben vorgibt: Kinderkriegen wenigstens nicht wirtschaftlich als übermäßige Belastung zu empfinden, die staatstragende Institution Familie zu fördern und die Geburtenrate anzuheben.

Neben diesen beiden Fallgruppen für das Elterngeld gibt es eine weitere. Wie nämlich die Menschen so sind, bekommen auch arbeitslose Eltern Kinder. Also sind auch sie zu bedenken, sie erhalten aber ebenfalls nur 300 Euro, weil doch durch die Betreuung kein Einkommen wegfällt. Hier stellt sich die gleiche Frage: Sollen Kinder von Arbeitslosen weniger wert sein als die von legal Erwerbstätigen? Offenbar ist man in der Großen Koalition auch schon zu der (bisher verschwiegenen) Erkenntnis vorgestoßen, Arbeitslose ohnehin nicht mehr in Lohn und Brot bringen zu können; daher seien mit Vorrang beide erwerbstätigen Elternteile bei Laune und bei der Stange zu halten und wenigstens sie mit Elterngeld zum Kinder-in-die-Welt-Setzen zu ermuntern, weil man beide Elternteile als Doppelzahler von Sozialversicherungsbeiträgen und Einkommensteuer dringend benötigt.

Wohl soll das Elterngeld es Eltern, die sich Kinder wünschen, finanziell erleichtern, sich den Wunsch zu erfüllen, und damit letztlich zu mehr Geburten führen. Ob es den Kinderwunsch wirklich verstärkt und dann auch die Geburtenrate anhebt, läßt sich bezweifeln und liegt daher im Ungewissen. Zu vielfältig sind die Beweggründe, Abwägungen und Umstände, entweder gar keine, wenig oder viele Kinder zu bekommen. Sie auf finanzielle zu beschränken und die politischen Maßnahmen ebenfalls, greift zu kurz.

Daher ist ein Ifo-Forschungsbericht (26/05) mit Vorsicht zu genießen, der im Vergleich von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden davon handelt, wie sich familienpolitische Instrumente auf die Geburtenrate auswirken. Man liest dort, daß in der ökonomischen Theorie der Wunsch ("die Nachfrage") nach Kindern bestimmt wird durch Preise und Einkommen. Zum Beispiel: Je mehr Geld berufstätige Frauen verdienen, auf um so mehr Einkommen müssen sie bei Erwerbsunterbrechung durch Kinder verzichten. Der Verzicht bedeutet für sie: Das sind meine Kinderkosten (Opportunitätskosten genannt). Beobachtet wurde: Steigen diese Kosten, geht die Geburtenrate in aller Regel zurück, und die Geburtenrate läßt sich durch Leistungen wie Erziehungsgeld, Kindergeld oder Kinderfreibeträge bei der Steuer erhöhen.

Der Befund scheint, wenn man Eltern zu mehr Kindern bewegen will, für direkte Zahlungen an sie zu sprechen, also für Kindergeld, Elterngeld und dergleichen. Doch heißt es im Ifo-Bericht auch: "Allerdings läßt die empirische Literatur noch eine Reihe wichtiger Fragen unbeantwortet." Ohnehin werden hier nur wirtschaftliche Überlegungen ins Feld geführt. Es bleibt dabei: Monokausal läßt sich das generative Verhalten nicht erklären. Sehr Unterschiedliches spielt ebenfalls eine Rolle. Selbst die hundert Einzelmaßnahmen für die Familien in Deutschland haben den Geburtenrückgang bisher nicht gewendet. Und nun soll dies allein das Elterngeld schaffen? Das ist Wunderglaube.

Familien-Splitting statt Elterngeld als Alternative

Kinder werden politisch behandelt, als seien sie nur ein privates Konsumgut, aber nicht als das, was sie wirklich sind: als ein Investitionsgut - auch für die Eltern selbst, aber vor allem für die Gesellschaft, unentbehrlich für ihren dauerhaften Bestand. Was ist vernünftiger, um Eltern die "Investition" in Kinder finanziell zu erleichtern: Elterngeld zahlen oder flächendeckend für allgemeine Kinderbetreuungsstätten sorgen? Beide Instrumente dienen zwar (als versteckte Zielsetzung) dazu, daß beide Elternteile erwerbstätig und Beitragszahler für die Sozialsysteme sein sollen, aber das Elterngeld geht einfacher und schneller. Im Prinzip ist es familienpolitisch vernünftiger, weil das Kind von der Mutter betreut wird, Kinderbetreuungsstätten sind stets Fremdbetreuung und daher nur letzte Wahl.

Das beschlossene Elterngeld hat ebenfalls einen Nachteil: Es wird nur für zwölf bis 14 Monate gezahlt; das ist zu kurz. Kinder brauchen die elterliche Zuwendung nicht nur im ersten Lebensjahr, sondern ebensosehr auch danach. In Kinderhort und Kindergarten, wenn überhaupt hinreichend verfügbar, sind sie weit weniger gut aufgehoben. Aber dort will die Koalition sie wohl hinhaben - wie einst in der DDR. Vor allem die Mütter sollen schnell von Heim und Herd an den Arbeitsplatz zurückgescheucht werden. Das Leitbild bleibt die berufstätige Frau. Das kommt dem Verlangen der Unternehmen nach jungen Kräften entgegen, weil sie billiger und beweglicher sind. So verkommt Familienpolitik zu Arbeitsmarktpolitik.

Sinnvoller wäre ein dauerhaftes Familien-Splitting bei Lohn- und Einkommensteuer bis zur Berufsfähigkeit der Kinder. Das stärkt die Entscheidungsfreiheit der Familien und ihre Eigenverantwortung, macht sie unabhängiger. Dies ist wohl politisch nicht gewollt. Die elterliche und familiäre Betreuung muß aber den Vorrang vor anderer Erziehungsarbeit erhalten und damit jenen Stellenwert, der ihrer im Regelfall überlegenen Bedeutung entspricht. Dieser Vorrang muß glaubwürdig bekundet und gesetzlich abgesichert werden. Das geplante Elterngeld erfüllt diesen Anspruch nicht.

Der ifo-Forschungsbericht 26/2005 "Auswirkungen familienpolitischer Instrumente auf die Fertilität: internationaler Vergleich für ausgewählte Länder" kann über das ifo-Institut bezogen werden: www.ifo.d


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