© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Abgründe tun sich auf
Einer fieser als der andere: "Paparazzi" von Paul Abascal
Michael Insel

Sensationslüsterne Pressefotografen, die Promis gnadenlos nachstellen, hatten in Hollywood einen üblen Leumund, lange bevor Federico Fellini ihnen 1960 mit der Figur des Giuseppe Paparazzo in "La dolce vita" einen schlechten Namen gab - angeblich den eines alten Schulkameraden.

"Paparazzi" treibt diese Verunglimpfung nun auf die Spitze. Die Schnappschießer des Filmtitels, die ihre Beute mit leistungsstarken Zoom-Linsen quer durch Los Angeles jagen, sind gesellschaftlicher Abschaum der allerschlimmsten Art: Ex-Sträflinge, die sich bereits im Umgang mit Schußwaffen oder auch als Vergewaltiger bewährt haben. So kennen sie natürlich keinerlei Skrupel, dem unbescholtenen aufstrebenden Action-Star Bo Laramie (hölzern: Cole Hauser) das Leben zur Hölle zu machen.

Produziert von Mel Gibsons Firma Icon Productions und mit dessen einstigem Friseur Paul Abascal im Regiesessel, erweist sich "Paparazzi" schnell als Abklatsch jener Vigilante-Thriller aus den siebziger Jahren, für deren dubiosen moralischen Anspruch hier Charles Bronsons "Death Wish"-Reihe herhalten möge.

Vince Vaughn, Chris Rock und zahllose weitere Showbiz-Kumpel statten kurze Gastauftritte ab. Im Wartezimmer eines Psychiaters, bei dem unser wackerer Held seine gerichtlich verordnete Unterweisung im Ärger-Management erhält, sitzt Gibson höchstpersönlich.

Dergleichen Szenen dürften als witzige Anspielungen auf die Handgreiflichkeiten zwischen Stars und Journalisten gedacht sein, die samt Bildstrecken immer mal wieder die Schlagzeilen der Boulevardpresse beleben: die Schlägerei etwa, die sich Gibson 1990 vor einem Nachtclub in Modesto lieferte. Auch Alec Baldwin, dessen Bruder Daniel hier einen der Aasfresser spielt, geriet einst mit einem Fotografen aneinander, als er 1995 seine damalige Frau Kim Basinger samt neugeborener Tochter aus der Klinik abholte.

Das Zeug zum Filmstar vom Kaliber eines Gibson oder Baldwin hat Bo Laramie allemal. Dorthin befördern soll ihn ein Vehikel mit dem leider nicht allzu weit von der Blockbuster-Realität entfernten Titel "Adrenaline Force". Spätestens mit der Premiere ist die Jagd auf ihn eröffnet, und als ihm die Meute der Knipswütigen noch beim Fußballtraining seines kleinen Sohnes auflauert, verliert Bo die Beherrschung und schlägt zu.

Damit hat er das Rudel erst recht gegen sich aufgehetzt, und wenig später kommt es zu einem spektakulären Autounfall. In ihrer plumpen Bezugnahme auf den Tod von Prinzessin Diana ist dies eine haarsträubend geschmacklose Szene in einem Film, der sich insgesamt nicht durch eine besonnene Auseinandersetzung mit komplexen Themen wie der Abwägung zwischen dem Recht auf Privatsphäre, der Neugier des Publikums und dem Interesse PR-bewußter Promis an ständiger Medienpräsenz auszeichnet.

Laramies Frau Abby (Robin Tunney) wird schwer verletzt, Sohnemann liegt gar ihm Koma. Was bleibt einem rechtschaffenen Mann anderes übrig, als das Gesetz Gesetz sein zu lassen und eigenhändig für Gerechtigkeit zu sorgen? Mit dem stillschweigenden Segen des zuständigen Kriminalpolizisten (Dennis Farina in einer Hommage an Peter Falks durchtrieben-vertrottelten Columbo) inszeniert er einen blutigen Rachefeldzug sondergleichen.

So abgrundtief schlecht dieser Film ist, wird er zweifelsohne sein Publikum finden unter den Anhängern stümperhafter B-Movies und Exploitation-Streifen, wie sie spätnachts im Kabelfernsehen laufen und die Regale schmuddeliger Videotheken zieren.

Von den hanebüchenen Dialogen ("Komas können tückisch sein, Bo!" verkündet der Arzt in grandioser Untertreibung und bester Seifenoper-Manier) über das klischeegesättigte Drehbuch (Forrest Smith) bis hin zu Tom Sizemores theatralischer Darbietung in der Rolle des allerfiesesten der Fieslinge bietet "Paparazzi" genügend unbeabsichtigt komische Momente, um ihn nicht als Totalausfall werten oder gar seinem Regisseur raten zu müssen, sich in Zukunft doch wieder Gibsons Haarpracht zuzuwenden, statt ihm im ureigensten Metier Konkurrenz zu machen.

Foto: Rex (Tom Sizemore): Hinter jedem Baum lauert ein Aasfresser


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