© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Frisch gepresst

Preußenland. Bei Theodor Fontane hat es Dietmar Albrecht abgeschaut, wenn er den Leser einlädt, ihn auf die "Wege nach Sarmatien" zu begleiten (Zehn Kapitel Preußenland. Orte Texte, Zeichen, Martin Meidenbauer Verlagsbuchhnadlung, München 2006, 265 Seiten, broschiert, Karten, 19,90 Euro). Albrecht, der 2000 seinen Posten als Studienleiter des Pommern-Zentrums in Travemünde wegen allzu propolnischer Parteilichkeit verlor und sich anschließend in Lübeck mit der Academia Baltica in Lübeck "selbständig" machte (JF 37/01), setzt seinen sarmatischen Wanderungen nebenher, wie sein Academia-Nachfolger Christian Pletzing im Geleitwort prägnant formuliert, das Ziel, in den Gefilden Ost- und Westpreußens das "europäische Bewußtsein" zu stärken. Wenn man diese - bei Albrecht insgesamt nicht sehr störenden - meinungslenkenden Versuche, die eher zur historischen Bewußtseinstrübung beitragen, einfach ignoriert, hält man ein unterhaltsames Lesebuch in Händen. Es erkundet die östliche Landschaft zwischen Weichsel und Memel vornehmlich literarisch und komponiert mit leichter Hand ausführliche Textzitate aus den Werken von Sudermann, Miegel, Bobrowski, Herder und Kant selbstverständlich, der Gräfin Dönhoff und einigen weniger bekannten Autoren wie Fontanes Zeitgenossen, dem um die literarische "Entdeckung Ostpreußens" verdienten Reiseschriftsteller Louis Passarge, einem Vorläufer Albrechts.

Masuren. Der Titel des Erinnerungsheftes der 1937 in Berlin geborenen Renate Wittenberg, "Einkehr in Masuren" (Ein Stück Zeitgeschichte. Erinnerungen. Verlag Haag+Herchen, Frankfurt/Main 2006, 69 Seiten, broschiert, 10 Euro) führt ein wenig in die Irre. Denn ein Drittel des kurzen Textes konzentriert sich auf die Flucht und die bayerische Nachkriegszeit. Masuren ist jedoch nur der Kindheitsraum, den die Autorin aus Ferienaufenthalten und aus Zeiten der Evakuierung 1943/44 aus dem von Bombenangriffen bedrohten Städten im Reich an dessen östliche Peripherie in der Nähe des Städtchens Rhein inmitten der Masurischen Seenplatte in - nicht sehr genauer - Erinnerung hat. Das verwundert nicht, da kaum jemand Erlebnisse und Eindrücke aus dem Vorschulalter in dichter Fülle im Langzeitgedächtnis aufzubewahren vermag.


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