© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/06 12. Mai 2006

Der Serienmeister und das Fußballgeschäft: Die Flucht ins Internet
Wo spielt Bayern in Zukunft?
Christoph Martinkat

Satter Gewinn macht erfolgreich, fröhlicher macht er offenbar nicht. Wie anders sollte man die alljährliche Meisterschaftsfeier auf dem Münchener Rathausbalkon sonst wohl verstehen? Da stehen sie nun freudlos da, die Spieler des deutschen Serienmeisters, in Lederhosen gehüllt und mit der Meisterschale in Hand. Hier und da gibt es ein gequältes Lächeln, gerade so, als würde die bayerische Tracht im Schritt etwas zwicken. Dieser steife Münchener Meisterschaftsjubel wird uns wohl auch in Zukunft begleiten. Dafür spricht zumindest die wirtschaftliche Dominanz des deutschen Großklubs, der den Rest der Bundesliga gehörig auf Distanz hält. - Oder hat Bayern in Zukunft etwa andere Dinge vor?

Schenkt man den Worten von Karl-Heinz Rummenigge Glauben, verlieren die Münchner durch die zentrale TV-Vermarktung der Bundesliga jährlich 75 Millionen Euro. Wenn Bayern also aus der Zentralvermarktung ausstiege und die Rechte Pay-TV-Sendern wie Premiere gesondert anböte, dann würde man ihnen dort den "roten Teppich" ausrollen. Dabei vergißt der Vorstandschef des FC Bayern zu erwähnen, daß die Münchener schon einmal einen Geheimvertrag mit Premiere besaßen. Die Überweisung des Senders von 20 Millionen Euro an den Rekordmeister flog allerdings auf, als die Kofler-Gruppe plötzlich insolvent war und der rote Teppich wieder eingerollt werden mußte. Die Strafzahlung der Bayern an die Deutsche Fußballiga (DFL) fiel mit 3 Millionen Euro vergleichsweise bescheiden aus - ein Umstand, der die dominante Stellung des deutschen Vorzeigeklubs innerhalb der Bundesliga unterstreicht.

Gegenüber Branchenriesen wie den Klubs aus Mailand, London oder Madrid bleibt der deutsche Rekordmeister jedoch ein bescheidenes Licht. So hat etwa Inter Mailand gerade seine TV-Rechte für die nächsten zwei Spielzeiten für sage und schreibe 200 Millionen Euro veräußert. Was diese Summe allerdings nicht verrät, ist, daß die italienischen Spitzenklubs allesamt hochverschuldet sind, der ums große Geld betrogene Rest der Liga zudem immer wieder mit Boykott des Spielbetriebs droht. Bayern München weiß selbstverständlich darum und fährt folgerichtig einen Zickzackkurs zwischen nationaler Solidaritätsbekundung und offener Drohgebärde. Im Falle der TV-Rechte-Vergabe hört sich das so an: Zwar sage man weiterhin Ja zur zentralen Vermarktung der Bundesliga, aber nur, wenn es in Zukunft wesentlich mehr Geld für die Bayern gebe. Ansonsten schaue man sich anderweitig um.

Von finanzieller "Not" hin zu geschäftstüchtiger Tugend

Das tun die Münchener allerdings schon seit längerem. In der sogenannten G 14, einer Vereinigung der europäischen Topadressen des Fußballs, haben Rummenigge und Co die Pläne zur Einführung einer Europa-Liga bereits weit vorangetrieben. Doch es gibt ein gravierendes Problem: Weder der europäische Fußballverband UEFA noch der Weltverband FIFA erkennen das Gremium der Eliteklubs als Verhandlungspartner an. Ein offener Schlagabtausch ist also vorprogrammiert.

Der aktuelle Forderungskatalog der G 14 an die internationalen Verbände zeigt die ganze Tragweite des Konflikts: So soll die UEFA-Champions League nach Willen der G 14 auf Global Players wie Mailand, München und Madrid beschränkt werden. Zudem fordert man die Wiedereinführung der sportlich wertlosen, finanziell jedoch äußerst lukrativen Zwischenrunde. So hätte man endlich jene geschlossene Fußballgesellschaft geschaffen, die Eliteklubs wie den Bayern seit längerem vorschwebt.

Während sich nationale Traditionsvereine wie Stuttgart und Berlin im abgewerteten UEFA-Cup weiterhin mit Teams wie NK Domzale oder Groclin Grodzisk Wielkopolski herumzuärgern hätten. Vom Weltverband FIFA wiederum fordern die Großklubs eine Abstellgebühr für Nationalspieler sowie eine Entschädigung, sollten sich Spieler beim Nationalteam verletzen. Eine entsprechende Klage eines belgischen Klubs wird derzeit gerade verhandelt, der Ausgang ist offen. Im Erfolgsfall könnte sie eine Prozeßlawine auslösen.

Inzwischen hält Bayern München nach neuen Geschäftsfeldern Ausschau und macht aus der unverschuldeten "Not" eine Tugend. So setzt der Fußballclub intensiv auf die Internet-Vermarktung, um die relativ geringen Einnahmen aus den TV-Rechten zu kompensieren. Hier wird er als innovativer Online-Pionier gefeiert, der mit wegweisenden Modellen neue Geldquellen erschließt.

Die Website des FC Bayern (www.fcbayern.t-com.de), die pro Monat eine Million Euro einbringt, gilt denn auch als die meistbesuchte Internet-Adresse eines Fußballklubs weltweit. So bietet der Klub auf dem Internet-Portal "FCB Champions" eine Art Bezahlfernsehen an. Jedes Pflichtspiel der Bayern wird komplett übertragen, bis nach Fernost. Mit einem neuen Service werden Spielszenen, Tore und Spielszusammenfassungen, aufs Mobiltelefon versendet. Vielleicht gibt es da auch Bilder von der diesjährigen Meisterfeier. Dann dürfen die Bayern-Fans aus Peking und Shaghai grübeln, warum die Bayern dabei nicht so recht fröhlich aussehen.

Foto: Bayern München mit Meisterschale: Vertrautes Bild - bemühte Freude auf dem Balkon des Münchner Rathauses (2004). Neue Horizonte scheinen indes in den unendlichen Geschäftsfeldern des WorldWideWeb auf.


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