© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/06 19. Mai 2006

Er tanzte auf vielen Hochzeiten
Nachruf: Günther Nenning
Ernst Brandl / Thorsten Thaler

Er habe in seinem Tiroler Alterssitz bis zuletzt gearbeitet, berichtete sein Sohn Leopold Nenning der Stadtzeitung Falter. Erst im letzten Monat habe der Schreib- und Diskurseifer nachgelassen. Nun ist Günther Nenning am 14. Mai im Alter von 84 Jahren gestorben

Der 1921 in Wien geborene Nenning galt zeit seines Lebens als politischer Querdenker. Parallel zum Studium der Sprach- und Religionswissenschaft arbeitete er seit 1948 in Graz erst als Journalist und später als stellvertretender Chefredakteur des sozialistischen Parteiorgans Neuen Zeit. Danach wechselte er zum Kulturmagazin Forum, dessen Leitung er 1965 übernahm. Seit den frühen Siebzigern schrieb er für das Magazin Profil, hernach auch für bundesdeutsche Blätter wie Spiegel, Die Zeit und Welt am Sonntag.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Günther Nenning auch als beinharter Journalistengewerkschafter, Gastgeber der ORF- Sendung "Club 2" und Moderator der NDR-Talkshow "III nach 9" bekannt. Später erregte er die Gemüter mit seinen Protesten gegen das geplante Donaukraftwerk bei Hainburg sowie als "Mentor" bei Gründung der Grünen. Von Altkanzler Bruno Kreisky wurde er als "Wurschtl" abqualifiziert.

Nach seinem Rückzug aus der Politik - 1985 wurde der sich selbst als einen "Rot-Grün-Halbschwarzen" bezeichnende Nenning aus der Sozialistischen Partei und aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ausgeschlossen - blieb er als launiger und unbequem-pointierter Kommentator im Blickpunkt nicht nur der österreichischen Leserschaft.

Günther Nenning war intellektuell neugierig, vielseitig interessiert und tanzte auf vielen Hochzeiten. So war er zum Beispiel Mitglied im Förderverein Bairische Sprache und Dialekte. Er schrieb vielbeachtete Bücher wie "Grenzenlos deutsch" (1989), "Die Nation kommt wieder" (1990) und "Auf den Klippen des Chaos" (1993). Der JUNGEN FREIHEIT gab er im Mai 1992 ein Interview zu den damaligen Wahlerfolgen nationaler Parteien in Europa und dem Problem der Überfremdung durch eine verfehlte Ausländerpolitik.

In den letzten Jahren schrieb Nenning vor allem für die Presse und die Kronen Zeitung. Der meistgelesensten Zeitung Österreichs lieferte er so manche politisch nicht ganz korrekte Glosse. Zuletzt sorgte Nenning auch mit seinem Literaturprojekt "Austrokoffer" für Diskussionen in der hiesigen Literatur- und Feuilletonszene. Es sollte die österreichische Literatur nach 1945 in 18 Bänden enthalten. Allerdings sprangen 50 Autoren aus unterschiedlichen Gründen ab.

Das "offizielle" Österreich bedauerte das Ableben des streitbaren Publizisten quer durch alle Couleurs. Kanzler Wolfgang Schüssel sprach von einem Verlust eines "sozial engagierten Menschenfreunds". Der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer betonte, mit Günther Nenning verliere Österreich einen "volksverbundenen Intellektuellen", und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache würdigte Nenning als "unkonventionellen Vor- und Nachdenker, der sich nie vor einen parteipolitischen Karren spannen ließ".


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