© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/06 19. Mai 2006

Frisch gepresst

DDR-Ausreise. Mit der Entscheidung, Ende 1985 einen Antrag auf Ausreise aus der DDR zu stellen, begann der erfolgreiche Ost-Berliner Fotograf Dietmar Riemann, Tagebuch zu führen. Er dokumentierte eine lange und ungewisse Wartezeit auf die Ausreise und die darauf folgenden Jahren im Westen. Die Ausreise war nicht nur schwer zu verwirklichen, sie war für Riemann auch persönlich ein zwiespältiger Prozeß. Er und seine Familie hatten im Arbeiter- und Bauernstaat einen gesellschaftlich halbwegs privilegierten Status erreicht, und nun wollten sie zwar in die Freiheit ausreisen, würden aber im Westen eventuell einen sozialen Abstieg hinnehmen müssen. Als dritter Band in einer Reihe von biographischen Quellen herausgegeben von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der ehemaligen DDR, spiegelt das Tagebuch die staatlichen Repressionen wider, denen man sich in der DDR ausgesetzt sah, wenn man einen Antrag auf Ausreise stellte (Dietmar Riemann: Laufzettel. Tagebuch einer Ausreise. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, gebunden, 512 Seiten, 29,90 Euro).

Fördeparadies. Noch weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus galt Schleswig-Holsteins Nordosten im Gegensatz zum touristischen Sylt als weltferne Idylle, wenn auch der sonst so nüchterne Baedeker schon 1952 die Landschaft zwischen Flensburg und Eckernförde als "Drei-Förden-Paradies" besang. In der heimatkundlichen Literatur, in Karl Müllers "Die Schlei - Tochter der Ostsee" oder in den poetischen Liebeserklärungen Frido Beckers, hielt sich indes noch lange das Versprechen, dort oben der Moderne entfliehen zu können. Siegfried Lenz klagte unlängst, damit sei es ab 1970 vorbei gewesen, denn er habe damals an der Schlei keinen Platz mehr gefunden, wo er unbelästigt vom Bootslärm hätte arbeiten können. Seitdem verlor auch die Schlei-Literatur die schwarzweiß illustrierte Intimität der Werke Müllers oder Beckers. Doch von vergleichbaren Farbbildbänden hebt sich die jüngste Publikation über die längste Ostseeförde durch die betonte Unaufdringlichlichkeit der Aufnahmen von Peter Schuster ab, wenn auch Erich Thiesens Text noch von manchem Gemeinplatz hätte befreit werden können (Rund um die Schlei - von Schleswig bis Schleimünde. Wachholtz Verlag, Neumünster 2005, gebunden, 127 Seiten, 170 Abbildungen, 19,90 Euro).


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