© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Der letzte Dandy
Die Götter schenkten ihm ewiges Alter: Zum fünfzigsten Todestag des Theaterkritikers und Karikaturisten Max Beerbohm
Georg Alois Oblinger

Der unvergleichliche Max" - Mit diesen Worten stellte George Bernard Shaw 1898 seinen Nachfolger als Theaterkritiker in der Saturday Review vor. Damals war der so bezeichnete Henry Maximilian Beerbohm gerade sechsundzwanzig Jahre alt.

Der Sohn ostpreußischer Einwanderer wurde am 24. August 1872 in London geboren. Schon in der Schule fiel er auf durch sein gepflegtes Erscheinen und seine vollendeten Umgangsformen. Durch seinen Halbbruder, den Theatermanager Herbert Beerbohm Tree, erhielt er bereits in jungen Jahren Zugang zur Theaterwelt und lernte zahlreiche Prominente kennen.

Seine Zeit verwandte er in diesem Alter hauptsächlich auf das Einstudieren seiner Dandy-Posen, das Zeichnen von Karikaturen und das Schreiben von Erzählungen und Essays. Daher verließ er mit einundzwanzig Jahren das Oxforder Merton College ohne Abschluß. Doch sehr schnell machte er sich als Schriftsteller und Karikaturist einen Namen und signierte seine Werke schlicht mit "Max".

Am liebsten beschäftigte er sich mit dem Dandytum, der Mode und der Regency-Zeit. Dies war die Zeit der Regentschaft des Kronprinzen George IV., der Beerbohm immer noch nachtrauerte. Seine großen Vorbilder waren der Kronprinz selbst (1762-1830; König ab 1820) sowie George Brian Brummell ("Beau Brummell"; 1778-1840), das Urbild aller Dandys. Dem Dandytum seiner eigenen Zeit konnte er nicht viel abgewinnen. Oscar Wilde spottete: "Die Götter haben Max die Gabe ewigen Alters verliehen."

1895 teilte dann der dreiundzwanzigjährige Beerbohm einer erstaunten Öffentlichkeit mit, er werde nicht mehr schreiben; er sei aus der Mode.

Als er im Jahr 1910 die Schauspielerin Florence Kahn heiratete, beendete er seine Stellung als Theaterkritiker und zog mit seiner Frau an die italienische Riviera, wo er ein Leben in Abgeschiedenheit, aber ohne Arbeit führte. 1911 schrieb er seinen einzigen Roman "Zuleika Dobson", einen Abgesang auf die große Zeit der Dandys. Als Max Beerbohm am 20. Mai 1956 starb, verlor die Welt den letzten Vertreter einer Epoche, die schon ein halbes Jahrhundert zuvor zu Ende ging. Er war der letzte Dandy.


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