© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Auch für Gimpel durchschaubar
Kampf gegen den Terror: Eine linke Stimme gegen die Medienübermacht des Anti-Antiamerikanismus
Uwe Scholte

Die Zeitschrift Das Argument galt einst als Zentralorgan des westdeutschen Neomarxismus. Lang ist's her, und spätestens nach dem Untergang der vermeintlichen "Volks"-Republiken Osteuropas wäre eine ideologische Neuausrichtung fällig gewesen. Die gelang jedoch nur unvollkommen. Denn mit seinem Sieg über die realsozialistischen Regime ist der alte kapitalistische Feind in globalisierter Gestalt nur gefährlicher geworden.

Trotzdem beschlich Herausgeber, Redaktion und Beirat in den letzten Jahren das in gelegentlichen selbstkritischen Reflexionen zu Papier gebrachte Gefühl, politische Analyse durch die "bloße Exekution eines für politisch korrekt Gehaltenen" ersetzt zu haben - wie es im jüngsten "Editorial" (Nr. 264/2006) heißt.

Daher soll jetzt Anfang Juni eine "Neugründung" des vierzig Jahre alten Organs ins Werk gesetzt werden, in Esslingen. Dorthin, ins heimatliche Trollingerland, fern von seiner einstigen Wirkungsstätte "West-Berlin", hat sich der emeritierte Philosophie-Professor und Argument-Vordenker Wolfgang Fritz Haug zurückgezogen.

Während Haug aber im aktuellen, der Politik des Welthegemons USA gewidmeten Heft nur wieder die bekannten Stereotype über die "spezifische Verbindung von Großkapital, funktionalen Eliten und faschistischer Bewegung" aus dem Hut zaubert, schlägt Frank Unger einen Ton an, der schon eher die Annahme rechtfertigt, daß in dieser ergrauten Klassenkampftruppe tatsächlich noch etwas Potential für eine "Neugründung" schlummert. Unger möchte nämlich den linken Mumpf des "Anti-Antiamerikanismus" hinter sich lassen. Ihn stört, daß heute den "Führern der USA und ihren Hofintellekuellen in aller Welt die Einstellung zu Amerika als Lackmustest für politische Gesundheit und politische Satisfaktionsfähigkeit" gelte. Primär der flotten Analogisierung von "Antiamerikanismus und Antisemitismus", solle "auch hierzulande" Anerkennung als "sozialpsychologische 'Theorie'" verschafft werden. Unger zitiert Bernard Wasserstein und Andrei S. Markovits als die bei uns rezipierten anglojüdischen Wortführer dieser Immunisierungsstrategie, verweist aber auch auf "die steigende Zahl" autochthoner Veröffentlichungen, wie sie nicht nur von der US- und "Israel-Lobby" (Mearsheimer/Walt, JF 17/06) in Springers Medienkartell produziert werden.

Antiamerikanismus sei "allein dumpfes Vorurteil"

Denen gehe es darum, Antiamerikanismus "als ein ausschließlich in den Subjekten selbst begründetes psychopathologisches Phänomen (zu) diagnostizieren, welches vollkommen analog dem Antisemitismus sei, der bekanntlich gar keiner realen Juden bedarf, um seine Vorurteile zu produzieren". Folglich, so suggerieren die Wasserstein, Markovits, Gedmin, Herzinger, Diner&Co., existiere Antiamerikanismus unabhängig vom realen Handeln der USA, und sei "allein dumpfes Vorurteil".

Wie stets, wenn "irgend jemand direkt oder durch Insinuation den Antisemitismus der Deutschen anspricht", und sei es in dieser, auch für Gimpel durchschaubaren Spielart, "die Politik der US-Regierung vor Kritik zu bewahren", reagieren "linke und sozialdemokratische deutsche Intellektuelle mit einem Reflex schuldbewußter Betroffenheit". Den publizistisch so emsigen Apologeten Washingtons gehe es daher um "Desorientierung, Delegitimierung und Verunsicherung linker Kritiker aus Europa an der Weltpolitik und der globalen Rolle der USA". Sie hätten ins Visier genommen die breite Bewegung der demokratischen US-Kritik, die sich in allen Teilen der Welt gegen die "geballten Meinungsmanipulationsversuche von Massenmedien" seit dem Irak-Krieg herausgebildet habe. "Speziell der Generation der ins Denkalter kommenden jungen Deutschen soll ein für allemal eingebleut werden: Wer heute als Deutscher sich gegen den Irakkrieg äußert, vollstreckt das Vermächtnis der Nazis."

Ungeachtet der überwältigenden Medienmacht der "Hofintellektuellen" Bushs gebe es jedoch bescheidene Ansätze von Gegenöffentlichkeit. Linke und liberale Intellektuelle hätten vor wenigen Wochen zu Spenden aufgerufen, die den "Kampf um die Demokratie" in den USA fördern sollen ( www.internationalendowmentfordemocracy.org ). Daß von dieser Minimal-Opposition ernsthafter Widerstand ausginge gegen "Amerikas Weltausnahmezustand" und das "unausweichliche Imperium" der USA, das in diesem Argument Nicolai Röschert und Paul A. Bové als düstere Zukunftsvision entwerfen, ist allerdings kaum zu erwarten.


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