© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/06 26. Mai 2006

Medienereignis Fußball: Kicker-Weisheiten & 1.000 letale Fußballt(r)icks
Tu' ihn rein in ihm sein Tor
Christoph Martinkat

Fußball ist eine Ballsportart und ein Medienereignis. Kunst hingegen war Fußball nie. Im Gegensatz zur Kunst werden im Fußballspiel keine existentiellen Fragen verhandelt. Es geht um keinen Welterklärungsversuch, schon gar nicht in einer den Moment überdauernden Form. Besonnene Trainerköpfe wie Sepp Herberger und Otto Rehhagel haben darauf hingewiesen, als sie von einem Spiel sprachen, das 90 Minuten dauere, oder davon, daß dessen Wahrheit einzig und allein auf dem Platz liege. Der Fußball kommt - trotz seiner medialen Verbreitung - ganz ohne Worte aus. Er spricht für sich, ist physischer, nicht geistiger Natur. Es gibt weder den intelligenten Paß noch den kunstvollen Heber. Was das Fußballspiel ausmacht, ist eine Mischung aus Instinkt, Talent und physischer Präsenz, gepaart mit taktischem Geschick. Wenn ein Spieler während des Spiels zu denken beginnt, hat er bereits verloren. Dann trifft er weder Ball noch Tor. Deshalb gibt es auch nichts Überflüssigeres, als den Fußball klug zu reden oder Spieler vors Mikrophon zu bitten.

Erinnerung an die gute alte Zeit, als Fußball noch Fußball war

Zugegeben, die Zeiten, wo Spieler-Interviews jeden Hauptschullehrer die Stirn runzeln ließen, sind seit den Tagen eines Hrubesch, Matthäus oder Möller ein für allemal vorbei. Doch das beweist nur, daß die kickenden Jungprofis von heute ihre Medienlektion gelernt haben. Sie nehmen wie Politiker Rhetorikkurse, besitzen ebenso wie jene Berater und sagen mit ihren eingeübten Wendungen ebenso wenig bis nichts.

Und weil das den fußballbegeisterten Zuhörer einfach nur anödet, erinnert er sich gern an die guten alten Zeit zurück, wo Fußballer noch von der Straße kamen, ausgestattet mit Spiel- und Mutterwitz statt mit hochdotierten Werbeverträgen. Damals gehörte es einfach dazu, daß der Fußballheld von nebenan mit Muttersprache, Fremdwörtern oder Geographie nichts am Hut hatte. Etwa ein Hüne wie Horst Hrubesch, der mit dem Kopf dort hinging, wo andere nicht einmal den Fuß hinhielten. Was er denn in jenem Moment gedacht habe, als er ein spektakuläres Kopfballtor erzielte, wurde der Mittelstürmer einst von einem Reporter gefragt. Hrubeschs Antwort war so schlicht wie entwaffnend: "Ich dachte mir, ich tu' ihn rein in ihm sein Tor." Geradezu legendär geworden ist auch der Spruch Andy Möllers zu seinen Wechselabsichten ins Ausland: "Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien!"

Nachzuschlagen sind diese und andere köstliche Kicker-Weisheiten in "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs", erschienen im Humboldt-Verlag. Arnd Zeigler, Radiomoderator der gleichnamigen Fußballsatire, Kolumnist und Stadionsprecher des SV Werder Bremen, hat hier die dümmsten wie kuriosesten, die komischsten wie bemerkenswertesten Fußballsprüche vereint. Das geht von Herbergers geradezu philosophischen Einsichten über Giovanni Trapattonis Mahnung, man dürfe "bei Fußball nicht denken wie Beamter: 0:0 bis Feierabend", bis hin zu vollkommen sinnfreien Aussagen à la Bertie Vogts, daß man alle Gewißheiten bis zuletzt auszuschöpfen habe.

Doch Arnd Zeigler haben es nicht nur die legendären Sprüche der Fußballgeschichte angetan. In "1.000 ganz legale Fußballtricks" - eigentlich müßte von letalen Ticks die Rede sein -, hat der Autor seine besten Kolumnen aus dem Fußball-Magazin Elf Freunde versammelt. Kaum ein Thema des zum Mediengroßereignis aufgestiegenen Sports und seiner verbalen Ausläufer bleiben von Zeiglers wachsamer Beobachtung verschont. Er zieht in seiner "Parade der Superhelden" durchgeknallte Spieler und Trainer ebenso durch den Kakao wie zwielichtige Fußball-Funktionäre, heißen diese nun Assauer oder Mayer-Vorfelder. Unter "Katastrophen aus Plüsch" lästert er über geschmacklose Maskottchen wie den WM-Löwen Goleo ab. Inspiriert durch Sammelbildchen aus frühen Kindertagen prophezeit der Autor kommende Frisurentrends - statt David Beckhams neuester Haarkreation erwartet uns wohl der Lothar-Matthäus-Gedächtnisschnitt, Marke hochgerutschter Vollbart.

Brillante Bestandsaufnahme des verquasten Reporter-Jargons

Zeigler nimmt sich auch die Sprache der Fußballmoderatoren vor, rätselt, warum diese etwa von "unnötigem Ballverlust" reden, wo es doch schon den "nötigen" nicht gibt. Er fabuliert über aussterbende Fangesänge, ergötzt sich an besonders albernen Vereinsnamen, trauert über den Niedergang des guten alten UEFA-Cups und erinnert an die Siebziger-Jahre-Marotte von Fußballprofis, Schallplatten zu besingen. Für die Scheiben von Beckenbauer, Pelé und Co. schlägt der Verfasser vier Bewertungskriterien vor: von "für einen Fußballer noch ganz passabel" bis "so schlecht, daß man sich beim Hören mitschämt". Doch eigentlich kommt nur letzteres in Frage, denn Fußballer sind sowenig Sänger wie das Fußballspiel eine Kunst ist, und von den Medien - wußte laut Zeigler schon Stürmer Bruno Labbadia zu berichten - wird sowieso immer alles "hochsterilisiert".

Arnd Zeigler: Wunderbare Welt des Fußballs. "1.111 Kicker-Weisheiten", 256 S., zahlreiche farbige Abbildungen, 8,90 Euro. Baden-Baden, Humboldt-Verlag 2005. Ders.: "1.000 ganz legale Fußballtricks", 256 S., 9,90 Euro, ebd., April 2006.


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