© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/06 09. Juni 2006

Kolumne
Die Union als "Hans im Glück"
Klaus Hornung

Jeder, der den politischen Betrieb kennt, wird zugestehen, daß eine Koalition ziemlich gleichstarker Partner nur mit Kompromissen funktionieren kann. Doch was die Union in den vergangenen Monaten geboten hat an Verzicht auf Grundpositionen um des Koalitionsfriedens willen, ist atemberaubend.

Tiefpunkt ist die Zustimmung zum sogenannten Gleichstellungsgesetz, das man treffender wohl Gleichschaltungsgesetz aus dem Geist des totalitären Antifaschismus nennen sollte, über das von "Brüssel" Geforderte hinaus - und auch das enthält schon Unfreiheitlichkeit genug. Wie hatten die Union und ihre Vorsitzende dieses rot-grüne Machwerk bis zur Wahl mit Recht bekämpft, um nun wie ein Hund den Schwanz einzuziehen! Oder die problemlose Verlängerung des rot-grünen "Kampfes gegen Rechts" mit seinen Millionen Steuergeldern für linksextremistische und "antifaschistische" Organisationen und ihr tausendköpfiges Personal. Das meiste aus dem Programm der Union des Sommers 2005 und sogar aus der Regierungserklärung Merkels ist Makulatur geworden, wirkt heute wie weggewischt. Fazit: Die Union befindet sich in der größten Glaubwürdigkeitskrise seit ihrem Bestehen. Sie erinnert immer mehr an den "Hans im Glück" des Märchens. Auch sie hat das Gold gegründeter Überzeugungen weggegeben gegen den Tand und das Talmi einer nur moderierenden Kanzlerin einer sozialdemokratischen Regierung.

Einmal mehr ist die Union keine lebendige, die Lebensfragen des Gemeinwesens leidenschaftlich erörternde Partei mehr, sondern demokratische Fassade einer Oligarchie von "Spitzenpolitikern", die über den Willen der vielzitierten Basis kaltlächelnd hinweggeht. Und diese Gruppe verdampft um der Chimäre der Macht willen ihre Überzeugungen bis zur Unerkennbarkeit und Profillosigkeit. Sie läßt sich, "Hans im Glück" ist Zeuge, vom verwirrenden Chor des Zeitgeistes beschwatzen, den Goldklumpen herzugeben und schließlich beim Hosenknopf zu landen. Sie erkennt nicht, daß Glaubwürdigkeit das höchste Gut demokratischer Politik ist, dessen mutwillige Ramponierung nur damit enden kann, daß die Partei und bald darauf auch das Gemeinwesen an die Wand fahren muß. Vermutlich wirkt im Hintergrund dieses Dramas bereits die erpresserische Drohung der SPD, es andernfalls eben mit einer Linkskoalition zu versuchen. Hinter der Fassade der Großen Koalition wird erneut die Frage nach der "Richtungsentscheidung" immer deutlicher, um die sich die Deutschen im vorigen Herbst hinweggemogelt haben.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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