© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/06 23. Juni 2006

PRO&CONTRA
Gemeinsames Sorgerecht für nicht-eheliche Väter?
Dietmar-Nikolai Webel / Sonja Orantek

Bei der gegenwärtigen Gesetzeslage wird davon ausgegangen, als handelten Mütter immer im Interesse ihrer Kinder. Dabei sind Mütter keine Götter, sondern eben auch nur menschlich, mit allen Fehlern und Schwächen, und sind keineswegs immer nur auf das Kindeswohl bedacht. Wozu bräuchte es denn sonst überhaupt Familiengerichte? Verkehrsteilnehmer brauchen eine Eignungsprüfung, für Berufe braucht man Zeugnisse und Abschlüsse; Verantwortung braucht eine Kompetenz. Der Mutter wird eine Entscheidung aufgetragen, welche nur sehr subjektiv entschieden werden kann. Die Versuchung, eigene Probleme auf das Kind zu übertragen, wird durch niemanden korrigiert.

Ein wenig erinnert das bisherige Verfahren an ein Ping-Pong Spiel. Der Gesetzgeber - zuletzt 2003 das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Sorgerecht nichtehelicher Väter - überläßt im Kindschaftsrecht der unverheirateten Mutter die Entscheidung über das Sorgerecht. Väter klagen dagegen an. Die Richter haben damit den "Ball" wieder dem Gesetzgeber zurückgegeben. Die Richter des Bundesverfassungsgerichtes gingen vom Grundgedanken eines Mindestmaßes an Übereinstimmung der Eltern aus, welches durch eine gemeinsame Sorgeerklärung oder durch die Ehe vorhanden sei. Bei Verweigerung des gemeinsamen Sorgerechtes durch die Mutter, so die Argumentation, müsse von keiner Übereinstimmung ausgegangen werden. Verweigert die Mutter ihre Zustimmung, lägen Gründe vor und die erzwungene gemeinsame Sorge brächte für das Kindeswohl mehr Nachteile. Und so gilt bis heute: Rechte für Mütter und Pflichten für Väter. Wer von Gleichstellung spricht, muß dies für Frauen und Männer gleichermaßen einlösen. Denn es ist kaum verwunderlich, daß Väter ihre Elternrolle aufgeben, wenn die gesetzlichen Ausgangsbedingungen ungleich festgeschrieben sind.

 

Dietmar-Nikolai Webel ist Sprecher des Bundesvorstandes von Väteraufbruch für Kinder e.V., Internet: www.vafk.de

 

 

In der Frage dieser Rechtssituation muß von der Lebensrealität der meisten nicht-ehelichen Kinder ausgegangen werden. Wenn man sich überlegt, daß von 3 Millionen Kindern von Alleinerziehenden über 80 Prozent allein mit ihren Müttern zusammenleben, dann ist es nur gerecht und richtig, daß die Mütter, die die Lebenssituation meistern müssen, dann auch über die Lebensgestaltung bestimmen. Das alleinige Sorgerecht der nicht-ehelichen Mütter hat dabei nichts mit dem grundsätzlichen Umgangsrecht zu tun, denn Kontakte zwischen Kind und Vater sind damit nicht ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2003 mit seiner Entscheidung zum Kindschaftsrecht das Entscheidende gesagt. Deshalb ist momentan kein Grund dafür ersichtlich, die bestehende Rechtssituation zu ändern, wie es etwa die Forderungen nach einem gleichberechtigten Sorgerechtsanspruch nahelegen. Auch das Sorgerecht hat ja keinen Einfluß darauf, inwieweit die Väter sich im Alltag um die Kinder kümmern. Nicht selten handelt es sich hier um einen Trugschluß. Denn es gibt sicher viele Väter, die das Sorgerecht haben, aber im Alltag kaum spürbar und für das Kind auch nicht erreichbar sind, so daß die Unterstützung im Alltag im Prinzip fehlt. Wir haben häufiger die Situation, daß die Väter das gemeinsame Sorgerecht besitzen, sich aber trotzdem weniger um das Kind kümmern. Dort ist die Problematik viel eher zu sehen. Handlungsbedarf für den Gesetzgeber existiert von daher wohl nicht. Allein schon mit Blick auf die Frage, wie viele Väter die Elternzeit nutzen: Ihre Zahl beträgt 5 Prozent, und die Zahl der Väter, die alleine die Elternzeit nutzen, liegt unter 0,2 Prozent.

Solange sich an der Lebensrealität der Menschen nichts ändert, müssen wir auch die Gesetze nicht ändern. Veränderung hieße: mehr Väter, die Anteil an der Erziehung und im Prinzip die Sorge übernehmen und nicht immer zuerst auf das Recht pochen.

 

Sonja Orantek ist stellv. Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. Internet: www.vamv.de


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen